Geschichtsbewusstsein wird gestärkt

grenzenlos hoffen – mutig handeln. Interview mit Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten

 

Anlässlich des 80. Todestags von Dietrich Bonhoeffer haben wir Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten  zu der Bedeutung der Gedenk- und Erinnerungsarbeit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die politische Bildung junger Menschen befragt.

 

Wie kann Gedenk- und Erinnerungsar­beit dazu beitragen, den gesellschaft­lichen Zusammenhalt zu stärken?

Gedenk- und Erinnerungsarbeit trägt dazu bei, das Verständnis für die Ver­gangenheit und die daraus zu ziehen­den Lehren zu fördern. Dadurch wird das Geschichtsbewusstsein gestärkt, was wiederum die Demokratiefähigkeit unterstützt. Eine lebendige Erinnerungs­kultur kann das Verständnis für histori­sche Zusammenhänge vertiefen und die Fähigkeit zur demokratischen Teilhabe sowie zur Zivilcourage fördern. Vorbil­der entwickeln hierbei eine besondere Kraft, wie z.B. die prominenten Vertreter Dietrich Bonhoeffer, Georg Elser, die Geschwister Scholl und ihre Freunde.

 

Durch die Weiterentwicklung der Ange­bote von Gedenkstätten können neue Dialogräume geschaffen werden. In den Schulen werden die Fakten der Vergan­genheit vermittelt und Zusammenhänge von Ursache und Wirkung aufgezeigt. Die authentischen Orte aber verlangen nach einer persönlichen Auseinander­setzung. Diese kann Empathie und Respekt fördern; gemeinsames Erleben dort kann das Gefühl von Zusammenge­hörigkeit stärken.

 

Ist Erinnerungsarbeit für Sie eine Voraussetzung für politische Bildung? Welche Formate und Methoden haben sich dabei besonders bewährt?

Grundsätzlich sehe ich die Erinnerungs­arbeit als eine Voraussetzung für politi­sche Bildung an, weil sie das Bewusst­sein für historische Zusammenhänge schärft und kritisches Denken fördert. Sie hilft, die Ursachen und Folgen po­litischer Entscheidungen zu verstehen und so aus der Vergangenheit zu lernen und Bezüge zur Gegenwart herzustel­len. Bewährte Formate und Methoden hierfür sind Zeitzeugengespräche oder Exkursionen zu historischen Orten.

 

Auch interaktive Projekte, wie digita­le Gedenkbücher oder multimediale Ausstellungen, ermöglichen eine aktive Auseinandersetzung.

Zudem möchte ich darauf hinweisen, dass es sehr viel lokales Engagement von Vereinen und Initiativen gibt, damit verlorene Orte, wie beispielsweise die ehemaligen Außenlager, nicht in Verges­senheit geraten. Sich in seiner eigenen Gemeinde oder Gegend für die Erinne­rungskultur einzusetzen, kann gerade für junge Menschen eine lohnende Tätigkeit sein.

 

Was braucht es, um Gedenkstätten als lebendige Orte des Lernens für junge Menschen zu erhalten?

Auf den Punkt gebracht: Ausreichend Geld, qualifiziertes Personal und ad­äquate Räumlichkeiten.

Aus meiner Sicht sind mehrere Aspekte wichtig, um die beiden KZ-Gedenkstät­ten Dachau und Flossenbürg als leben­dige Orte des Lernens und Austausches für junge Menschen zu erhalten: Zum einen Bedarf es innovativer Bildungsan­gebote, die aktuelle Themen aufgreifen. Dies setzt eine enge Zusammenarbeit der Gedenkstätten mit Schulen und Jugendorganisationen/-verbänden voraus. Zum anderen altersgerechte pädagogische Programme unter Einsatz moderner Medien, die eine aktive Betei­ligung der jungen Menschen einfordern.

 

Besonders digitale Formate und Social Media können das Interesse wecken und die jungen Menschen dort abho­len, wo sie sich ohnehin aufhalten. Die Einbindung von Zeitzeugen (noch ist es möglich!) ist wichtig, um authentische Perspektiven zu vermitteln. Moderne, interaktive Ausstellungskonzepte mit digitalen Elementen sowie mehrsprachi­ge Angebote für ein internationales Publikum gehören natürlich auch zu einem umfassenden lebendigen Ort des Lernens uns Austauschs.

 

Das Interview führte Patrick Wolf, Referent für Kommunikation.

 

Foto: Stiftung Bayerische Gedenkstätten