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Hilfe für Geflüchtete

Der CVJM Markt Erlbach und die Evangelische Jugend  Neustadt Aisch fuhren an die polnisch-ukrainischen Grenze.

 

Mit Hilfsgütern beladen und mit dem Angebot, Geflüchteten einen Weg und Unterkunft in Deutschland zu bieten, machte sich eine kleine Gruppe auf die insgesamt 2200 km lange Reise an die polnisch-ukrainische Grenze. Der CVJM Markt Erlbach organisierte mit Esther Schmidt, Diakonin in der Evang. Jugend Neustadt a.d. Aisch, die Fahrt. Mit dabei waren auch Peter Maier, Berufspraktikant, und die Ehrenamtliche Lena Pfeiffer.

Eindrücke von der  Situation an der Grenze

Esther Schmidt ist sozusagen eine Kennerin der Ukraine, da sie selbst von 2005 bis 2007 als Diakonin auf der Krim tätig war. Sie fühlt sich dem Land und den Menschen verbunden. Peter Maier erstaunte es, dass Stimmung an der Grenze friedlich wirkte. Besonders mitgenommen hat ihn aber die Stimmung in Przemyśl. „Ich war beeindruckt, wie engagiert die Pfadfinder in fast jeder Sprache die Menschen koordinierten“, sagte er.

Auch für Lena Pfeifer hinterlässt diese Reise  einen bleibenden Eindruck: „So etwas lässt einen nicht kalt. Die Menschen zu sehen, die da auf dem Boden im Einkaufszentrum sitzen, weil alle Feldbetten belegt sind. Die Leute haben immer weniger Hoffnung. Ich hoffe, dass sich weiterhin so viele Menschen engagieren, damit das alles so schnell wie möglich vorbei ist.“

 

Heimat – Ukraine

Ein Gespräch mit Esther Schmidt

 

Foto: A. Riedel

Für Esther Schmidt hatte diese Reise eine ganz besondere Bedeutung. Im Gespräch erzählt sie von ihrer Zeit in der Ukraine und von ihren Gefühlen, die der Krieg in ihr auslöst. Von 2005 bis 2007 war sie als Diakonin auf der Krim tätig. Hier begleitete sie deutsche evangelische Gemeinden, organisierte regionale Kinderkirchentage oder Fortbildungen für jugendliche Mitarbeiter:innen. Die Sommer waren geprägt von Freizeiten und Begegnungen mit Gruppen aus Deutschland.

 

 

Meine Seele hat in der Sprache Heimat gefunden

„Die Menschen haben es mir leicht gemacht, mich heimisch zu fühlen“, sagt sie rückblickend. Dazu kam die sehr schöne Natur, die mediterran geprägte Krim mit Bergen und Meer und auch die Sprache. „Ich mag die russische Sprache einfach, ihre Blumigkeit. Ja, auch in der Sprache hat meine Seele Heimat gefunden.“ Anfeindungen hat sie nie erlebt, auch wenn beim russischen Wort „Deutsche“ die Nazi-Vergangenheit  immer irgendwie mitschwingt.

Jetzt erlebe ich Unsicherheit und Angst an der polnisch-ukrainischen Grenze

Und nun war Esther mit dem Hilfskonvoi an der polnisch-ukrainischen Grenze, auch um geflüchtete Menschen abzuholen. „Als wir angeboten haben, Menschen aus der Ukraine mit zu uns nach Hause zu nehmen, war da auch viel Unsicherheit. Es gab die Angst vor Menschenhändlern. Doch dank meiner Russischkenntnisse konnte ich hier gut vermitteln. Und es gab viele Fragen: Wohin nehmen die uns mit? Wäre es nicht besser, in eine große Stadt zu fahren, wo man dann auch Arbeit findet? Wie weit ist dieses Neustadt weg? Viele Ukrainer:innen wollen ja wieder zurück und deshalb lieber in der Nähe der Ukraine bleiben.“

 

Niemand hat mit dem Krieg gerechnet

„Ich habe ganz deutlich gespürt, wie viel Unsicherheit und auch Verwirrung da war. Niemand hat mit diesem Krieg gerechnet. Alle waren unendlich müde. Als wir dann in Neustadt nach Mitternacht ankamen, wurden wir liebevoll im Gemeindehaus empfangen. Dann ging alles sehr schnell. Die Gastfamilien wurden kontaktiert und haben die Familien mitgenommen.“

 

Das Gefühl, dem Tod geweiht zu sein

„Als ich später noch mit einer ukrainischen Familie Kontakt hatte, kam die ganze Anspannung und alle Emotionen raus und wir haben alle geweint. Auf Russisch haben mir Mutter und Tochter erzählt, wie es zuhause ist, dass sie ein Haus und Garten haben, dass der Mann sie an der Grenze abgesetzt hatte, aber wieder zurück musste. Dass sie das Gefühl hatten, dem Tod geweiht zu sein und sterben zu müssen. Wir haben auch über den Glauben gesprochen und dass trotz allem Schrecken auch viel Hoffnung und Vertrauen da ist: „Gott wird alles gut machen. Gott wird dem Krieg ein Ende machen.“

 

Tiefe Verbundenheit mit der Ukraine

Ich fühle mich durch die schrecklichen Bilder noch mal tiefer mit den Menschen in der Ukraine verbunden. Aufgrund der Kriegssituation habe ich jetzt die alten Kontakte wieder reaktiviert, um von den Menschen vor Ort zu erfahren, wie es wirklich aussieht. Ich weiß zum Beispiel, dass es aktuell trotz der Belagerung Ortskundigen möglich ist, auf Nebenstrecken Hilfsgüter an den Russen vorbei in den Osten der Ukraine zu transportieren.“

 

Ich bin immer auf der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer

„Ich war immer gegen den Wehrdienst, vor allem die Wehrpflicht, und auch gegen Aufrüstung und Waffenlieferungen“, sagt Esther. „Aber ich kann mich gut in die Menschen dort hineinversetzen und nachvollziehen, dass viele in der Ukraine bleiben, um für ihr Land zu kämpfen. Denn was ist die Alternative? Putin zu erlauben, sich einfach zu nehmen, was er will? Ich kann da nicht neutral sein – ich bin immer auf der Seite der Ukrainer und Ukrainerinnen.“

 

Das Gespräch mit Esther Schmidt führte Heidi Wolfsgruber, Pfarrerin und Erwachsenenbildnerin. Das vollständig Interview wurde auf der Webite des Dekanats Neustadt a.d. Aisch veröffentlicht. Im zettMagazin haben wir lediglich Auszüge abgedruckt – vielen Dank für die Abdruckerlaubnis.

 

Infos zu Russlanddeutschen in der Ukraine und zur Krim

Als Russlanddeutsche werden die deutschstämmigen Auswandererfamilien bezeichnet, die von Katharina der Großen eingeladen wurden, die Krim und die Ukraine zu besiedeln. Sie kamen vor allem aus Württemberg, aber auch Bayern, und brachten ihren vom Pietismus geprägten christlichen Glauben mit. Sie gründeten Gemeinden und bauten Kirchen, wurden allerdings nach dem 2. Weltkrieg von Stalin enteignet und zum Großteil nach Sibirien deportiert. Im Zuge von Glasnost und Perestrojka wurde es ihnen möglich, nach Deutschland zurückzukehren.

Die Krim wurde 2014 von Russland annektiert. Sie war nach Auflösung der Sowjetunion als autonome Republik in der Ukraine verblieben. Ihre ursprünglichen Bewohner, die Krimtataren, sind ein turksprachige Ethnie muslimischen Glaubens. Weil sie teils gegen die russische Unterdrückung mit den Deutschen kollaborierten, wurden viele nach dem 2. Weltkrieg nach Sibirien deportiert. Bisher erkennen nur wenige Länder die Annexion der Krim an. Für die meisten Länder gehört die Krim nach wie vor zum Staatsgebiet der Ukraine.

 

Fotogalerie und Foto oben: CVJM Markt Erlbach