
Konfrontation mit der Gegenwart
grenzenlos hoffen – mutig handeln. Interview mit Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der EKD
Anlässlich des 80. Todestags von Dietrich Bonhoeffer haben wir Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), zu der Aktualität der Botschaft von Dietrich Bonhoeffer befragt.
Welche Impulse können junge Christ:innen aus Bonhoeffers Handeln ziehen, um sich politisch und gesellschaftlich einzubringen?
Dietrich Bonhoeffers Theologie und Lebenszeugnis sind ein kraftvolles Vermächtnis – nicht als Denkmal eines unantastbaren Helden, sondern als fortwährende Herausforderung an uns. Bonhoeffer war einer der wenigen, die in den dunkelsten Jahren unserer Geschichte dem „Rad in die Speichen gefallen“ sind. Übertragen auf die heutigen krisenhaften Zeiten, in denen menschenverachtende Ideologien wieder erstarken und politische Debatten zunehmend aufgeheizt sind, ist sein Beispiel ein wichtiger Impuls dafür, sich aktiv einzubringen und sich Hass und Gewalt entgegenzustellen. Bonhoeffers Glaube war kein Rückzug ins Private, sondern ein mutiges, aktives Eintreten für Gerechtigkeit – und diese Haltung bleibt für uns relevant.
Wie kann die EKD das Gedenken an Bonhoeffer für eine nachhaltige Friedensarbeit nutzen?
Bonhoeffers Geschichte ist kein abgeschlossenes Kapitel. Sie konfrontiert uns mit unserer Gegenwart. Sein Leben kann uns inspirieren, aus dem Glauben heraus zu handeln. Es fordert uns dazu heraus, uns immer wieder selbst zu prüfen: Was bedeutet Umkehr? Wofür lohnt es sich kompromisslos einzustehen? Wie kann es gelingen, der Propaganda der Zeit nicht die Herrschaft zu überlassen? Wie widerstehen wir als Christ:innen den Populisten, den Verführern unserer Zeit? Und was heißt es heute die „Wahrheit“ zu sagen?
Welche Aspekte des Wirkens von Bonhoeffer haben für dich die größte Relevanz, gerade in Bezug auf kirchliches Engagement?
Für mich liegt der Fokus ganz klar auf Bonhoeffers Widerständigkeit. Was bedeutet Widerstand? Wo sind wir heute herausgefordert, Stellung zu beziehen? Vor allem verstehe ich seinen Widerstand als ein Festhalten an Überzeugungen, die er aus seinem Glauben geschöpft hat. Vor seiner Hinrichtung hat Bonhoeffer einem Freund ausrichten lassen: „Sagen Sie ihm, dass dies für mich das Ende, aber auch der Anfang ist.“ Darin steckt für mich eine Widerständigkeit, die aus einer festen Überzeugung kommt: Das Böse hat nicht das letzte Wort. Diese Hoffnung hat er sich in keiner noch so aussichtslos scheinenden Situation nehmen lassen. Sie hat ihm Kraft gegeben. Mit dieser Haltung können sich Christinnen und Christen auch heute in der Gesellschaft engagieren.
Das Interview führte Patrick Wolf, Referent für Kommunikation.
Foto: EKD/Jens Schulze