
Mahnmal für unfassbare Zivilcourage
grenzenlos hoffen – mutig handeln. Interview mit Klaus Stiegler, Regionalbischof Schwaben – Altbayern
Anlässlich des 80. Todestags von Dietrich Bonhoeffer haben wir Klaus Stiegler, Regionalbischof für Schwaben – Altbayern, zum theologischen und ethischen Erbe von Dietrich Bonhoeffer befragt.
Welche Bedeutung messen Sie Bonhoeffers theologischem und ethischem Erbe in der heutigen Gedenk- und Erinnerungsarbeit bei?
Die aktuellen Kriege und Krisen des 21. Jahrhunderts stellen uns ganz neu vor die Frage: Wie wollen wir leben? Welche Werte sollen unser Zusammenleben prägen? Bonhoeffers Unterscheidung zwischen „billiger“ und „teurer“ Gnade ist nach wie vor hochaktuell. Er kritisierte eine oberflächliche Frömmigkeit. „Billige Gnade“ bedeutet für ihn die Vergebung ohne Buße, die Taufe ohne Disziplin, das Abendmahl ohne Bekenntnis, die Absolution ohne persönliche Beichte. „Teure Gnade“ hingegen ist die Gnade, die zur Nachfolge ruft, die das Kreuz auf sich nimmt und die Bereitschaft zum Leiden beinhaltet. Diese Theologie fordert die Kirche und jeden einzelnen Christenmenschen heraus, sich aktiv für den Glauben einzusetzen und Verantwortung in der Welt zu übernehmen.
Wie kann die Auseinandersetzung mit Bonhoeffers Biografie und seinem Widerstand dazu beitragen, jungen Menschen Werte wie Zivilcourage zu vermitteln?
Er erkannte die Gefahren des Nationalsozialismus und stellte sich mutig gegen diese menschenverachtende Ideologie. Sein Engagement im Widerstand, das schließlich zu seiner Verhaftung und Hinrichtung führte, ist ein Mahnmal für unfassbare Zivilcourage und fordert uns als Kirche heraus, in politischen, gesellschaftlichen und humanen Krisen nicht tatenlos zu schweigen, sondern uns einzumischen und einzubringen.
Es übersteigt mein Vorstellungsvermögen, dass Dietrich Bonhoeffer bereit war, sein eigenes Leben für seine humanen Ideale einzusetzen.
Welchen Beitrag kann Kirche leisten, um Bonhoeffers Gedanken in aktuelle gesellschaftliche Debatten zu integrieren?
Dietrich Bonhoeffer entwickelte das Konzept der Kirche als „Kirche für andere“. Er betonte, dass die Kirche nicht primär um sich selbst kreisen, sondern sich den Menschen in ihren Nöten zuwenden und für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt einstehen soll. Also diakonisches Handeln, politisches Engagement und die Bereitschaft, für die Schwachen und Unterdrückten einzutreten. All dies markiert bis heute Wegweisung für uns als Evangelische Kirche
Das Interview führte Patrick Wolf, Referent für Kommunikation.
Foto: F_Treiber