„Mensch, Du hast Recht(e) – Zeig Dich!“

Gelebte Vielfalt, sichtbarer Glaub und ein starkes Zeichen für mehr Miteinander – CSD in Memmingen

 

Queerness und Glaube sind keine Gegensätze.

Mit dieser Haltung hat sich die Evangelische Jugend Memmingen 2025 zum ersten Mal mit einem eigenen, sichtbaren Projekt am Christopher Street Day (CSD) in Memmingen beteiligt – gemeinsam mit Pride Memmingen e.V. und in ökumenischer Kooperation, auf die wir hier in Memmingen besonders stolz sind:

Mit an Bord waren hier die Cityseelsorge Memmingen, die Queersensible Pastoral des Bistums Augsburg, die katholische Jugendstelle Memmingen sowie eine Vikarin, eine Religionspädagogin und ein Pfarrer aus dem ev. luth. Dekanat Memmingen.

Entstanden ist daraus nicht nur ein bewegender Gottesdienst mitten in der Stadt, sondern auch Raum für Begegnung, Segen und Gespräche – und ein sichtbares Zeichen für eine Kirche, die nah bei den Menschen ist.

 

Sichtbar werden und Flagge zeigen

Auch heute noch machen queere Menschen nicht selten schmerzliche Erfahrungen mit Kirche. So gibt es auch im Dekanatsbezirk Memmingen und Umgebung durchaus unterschiedliche theologische Haltungen zu dieser Thematik.

Und genau deshalb war unser Herzensanliegen: Sichtbar werden. Flagge zeigen. Brücken bauen. Begegnungsräume schaffen.

Als Evangelische Jugend verstehen wir uns als Teil einer vielfältigen, lebendigen und liebevollen Kirche, getreu unserem Motto: „Die Welt ist bunt- GOTT sei Dank!“.

Und so wollten wir einen Ort bieten, an dem Menschen sich zeigen dürfen – mit allem, was sie sind und wie sie glauben, lieben oder hoffen. Oder, wie es eine Teilnehmerin nach dem Gottesdienst treffend sagte: „Queerness und Glaube sind keine Gegensätze, sondern gehen Hand in Hand.“

 

„Mensch, Du hast Recht(e)! – Zeig Dich!“

Unter dem Motto „Mensch, Du hast Recht(e)! – Zeig Dich!“ ging es uns darum, jungen Menschen einen empowernden, inklusiven Zugang zum christlichen Glauben zu ermöglichen – mit einer klaren Message: Du bist gewollt, gesegnet und genau richtig – so wie du bist.

 

Was war geboten?

Der Tag begann mit einer Premiere: Zum ersten Mal fand im Rahmen des CSD ein ökumenischer Gottesdienst in der Innenstadt statt – mitten in der katholischen Kirche St. Johann am Marktplatz. Rund 200 Menschen folgten der Einladung, darunter viele junge Erwachsene, Mitglieder der LGBTAIQ+ Community, Engagierte aus Jugendverbänden und Seelsorger:innen beider Konfessionen.

Die Gründungsgeschichte von „Pride Memmingen e.V.“ diente uns als Inspiration, Esther als biblische Figur für den Gottesdienst zu wählen: „Habe den Mut, dich in deiner Würde und Einzigartigkeit zu zeigen. Damit befreist du dich – und andere.“ So lautete die zentrale Botschaft.

Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst von der Big Band des Bernhard-Strigel-Gymnasiums – deren Sound für Gänsehautmomente sorgte. „Wenn Gottesdienste immer so wären, würde ich da auch öfter mal hingehen“, sagte eines der Bandmitglieder nach dem Gottesdienst.

Im Anschluss öffnete der Pfarrgarten als Chill-Out-Lounge – mit Raum für Gespräche, Begegnung, Rückzug und Segen. Zwei Mitglieder unseres AK Diversity sowie acht hauptamtliche Mitarbeitende waren ansprechbar und deutlich zu erkennen an ihren T-Shirts, die mit einem Regenbogenherz und einem Kreuz bedruckt waren.

Die aufklappbaren Stühle in der Lounge –  mit Aufdrucken wie „Geliebt, getragen und genau richtig“ – wurden zum Symbol unseres Anspruchs: Kirche soll ein Ort sein, an dem Menschen sich eigeladen fühlen sollen. Hier genossen wir Gespräche mit unterschiedlichsten Besucher:innen und Menschen begegneten einander, die sich vorher noch nicht kannten. Auch die Vernetzung beteiligter Gruppen untereinander konnte vertieft und vorangebracht werden.

Während der Parade zeigten sich  Ehren- und Hauptamtliche der Evangelischen Jugend deutlich sichtbar mit den Bannern der EJB „Die Welt ist bunt – GOTT sei Dank!“ und verteilten über 500 bunte Armbändchen mit dem Aufdruck „Pride & Dignity“. Die EJ Schwaben legte sogar ihren Kirchenkreistag auf diesem Termin, um mit Vertreter:innen des GAs gemeinsam Flagge zu zeigen.

Die Kundgebung auf dem Marktplatz nutzen wir nochmal gezielt, um auf unser Angebot aufmerksam zu machen und um sichtbar zu werden. Hier war es uns vor allem wichtig, als Einheit aus Vertreter:innen beider Konfessionen aufzutreten und unsere klare gemeinsame theologische Haltung nach Außen zu tragen, um deutlich zu machen: Uns gibt es hier auch, wir sind viele und unsere Türen stehen offen.

 

Resümee

Die Resonanz an diesem Tag war bewegend und bestärkend, insbesondere nach dem Gottesdienst. Für manche Teilnehmende war es der erste Gottesdienst seit langer Zeit. Für andere der erste, bei dem sie sich wirklich gemeint fühlten:

„Für viele von uns war dieser Gottesdienst besonders emotional. Ich habe mich gesehen gefühlt – nicht trotz meiner Identität, sondern genau damit.“, sagte eine Besucherin.

In Gesprächen wurde deutlich, wie heilsam es für viele war, Kirche in einem neuen Licht zu erleben: nicht wertend, sondern segnend. Nicht ausgrenzend, sondern einladend. Hier war eine große Sehnsucht spürbar und viele Gottesdienstbesuchende zeigten sich deutlich gerührt angesichts des Raumes, sich mit all ihrem Sein und auch ihren Gefühlen zeigen zu dürfen und sich darin gesehen und getragen zu erleben.

Für uns war es berührend zu erleben, wie viel Kraft darin liegt, wenn Glaube und gesellschaftliches Engagement zusammen gedacht werden.

Oder wie Sophia Holl von Pride Memmingen e.V. es sagte: „Hier werden Brücken gebaut. Gemeinsam ist unsere Botschaft von Würde, Respekt und für ein gutes, menschliches Miteinander am stärksten.“

 

Ausblick auf 2026

Für uns als EJ Memmingen war dieses Projekt ein echter Meilenstein. Die positive Resonanz, die emotionale Tiefe und die intensive Zusammenarbeit mit anderen Kooperationspartner:innen haben gezeigt: Da wächst etwas und wir können etwas bewegen.

Für uns ist klar: 2026 geht es weiter, denn das soll zur Tradition werden. Wir möchten die Segensräume ausweiten, den Gottesdienst weiterentwickeln, Jugendliche noch aktiver einbeziehen und unsere Botschaft noch klarer formulieren: Du bist ein geliebt!

Mit einem bewussten „Ausrufezeichen“ und nicht einem „Komma, wenn… „. Sondern bedingungslos. Kirche sollte ein Ort sein, in dem sich alle Menschen angenommen und willkommen fühlen dürfen.

 

Unser Herzensanliegen

Wir sehen es als unsere christliche Verantwortung, Räume zu schaffen, in denen die Liebe spürbar wird, von der in der Bibel die Rede ist. Ganz im Sinne der OEJ wollen wir junge Menschen darin unterstützen, Botschaften des christlichen Glaubens mit ihrer Lebenswirklichkeit zu verbinden.  Ganz im Hier und Jetzt. In einer Bereitschaft, einander authentisch mit offenen Herzen zu begegnen.

Wenn wir uns zeigen, wie wir sind, kann das Nähe schaffen und vielleicht kann auch so die ein oder andere verletzende Erfahrung mit Kirche ausgeglichen und durch eine neue Erfahrung erweitert werden.

Und wir sind zutiefst davon überzeugt, dass es wichtiger denn je ist, als Kirche Haltung zu zeigen. „Mit dieser Beteiligung wollen wir ein Zeichen setzen für Offenheit, Akzeptanz und Vielfalt“, betonte Insa Adams, Vikarin der Gemeinde St. Martin.

 

CSD 2025 – Schön war´s! Weiter geht´s!

 

Katja Gundel
Dekanatsjugendreferentin der Evang. Jugend im Memmingen

 

Fotos: Santiago Rodriguez @santiago_rodriguez_photography, und Marco Mair @marcosfujifilm