
Notfallmanagement in der Jugendarbeit
Gutes Krisenmanagement muss so selbstverständlich sein wie Zähneputzen – ein Interview
Ob auf Freizeiten, beim Zeltlager oder bei großen Events – in der Jugendarbeit kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren. Ein plötzlicher Wetterumschwung, ein medizinischer Notfall oder eine schwierige Konfliktsituation: Wer gut vorbereitet ist, kann im Ernstfall ruhig und besonnen handeln. Die Evangelische Jugend in Bayern hat deshalb ein umfassendes Handbuch zum Notfallmanagement entwickelt und bietet gemeinsam mit dem Studienzentrum Josefstal einen digitalen Selbstlernkurs an. Doch was genau steckt hinter diesen Angeboten? Und wie können Jugendleiter:innen sich bestmöglich wappnen? Ein Gespräch über Krisen, Vorbereitung und das gute Gefühl, auf alles gefasst zu sein.
Tobias Bernhard, Referent für Aus-, Fort- und Weiterbildung der EJB, und Thomas Ortlepp, Referent für Projektberatung Landesstellenplanung, stellen im Interview das Handbuch und den Selbstlernkurs zum Notfallmanagement in der Jugendarbeit vor.
Warum war es euch wichtig, ein so umfassendes Handbuch zum Notfallmanagement zu entwickeln?
Die Idee dazu gibt es schon länger. Bereits vor Jahren habe ich, Thomas Ortlepp, als Jugendreferent begonnen, einen Notfallkalender und ein Handbuch zu entwickeln, weil es dazu kaum Material gab. Inzwischen ist das Thema Notfallmanagement fester Bestandteil der Planung und Organisation in der Jugendarbeit. Besonders wichtig war uns von Anfang an, Ehrenamtliche zu unterstützen, damit sie in Krisensituationen gut und möglichst sicher agieren können. Dabei geht es nicht nur um Pläne und Checklisten, sondern auch um ein grundlegendes Verständnis für Krisensituationen und das richtige Handeln.
Welche Inhalte sind euch besonders wichtig?
Es geht vor allem um eine grundlegende Haltung: Die Frage ist nicht, ob etwas passiert, sondern wann – und natürlich in welchem Ausmaß. Ein zentrales Kapitel in unserem Handbuch heißt „Vom Basisrisiko zum Restrisiko“. Damit meinen wir, dass Risiken beim Unterwegssein mit Gruppen immer vorhanden sind. Unser Ziel ist es, dieses Risiko bestmöglich zu reduzieren, indem wir uns bewusst vorbereiten. Die zentrale Frage dabei lautet: Bin ich mit der richtigen Einstellung zur richtigen Zeit mit der richtigen Gruppe und der richtigen Ausrüstung am richtigen Ort?
Notfälle gibt es viele – von Unwettern über medizinische Notfälle bis hin zu Konflikten oder psychischen Krisen. Was sind häufige Herausforderungen für Jugendleiter:innen?
Viele denken bei Notfällen sofort an große Katastrophen, aber in der Praxis sind es oft die vermeintlich kleinen Dinge, die Probleme bereiten: Heimweh, Sonnenbrand oder Zeckenbisse sind auf Freizeiten fast alltäglich und können sich in Einzelfällen schnell zu echten Krisen entwickeln. Wichtig ist, dass Jugendleiter:innen vorausschauend planen. Die Programmgestaltung spielt dabei eine große Rolle: Gehe ich mit Kindern baden oder bleibe ich am Haus? Bin ich im Sommer oder Winter unterwegs? Welche Notfallpläne gibt es für verschiedene Szenarien?
Unsere Vision ist, dass gutes Krisenmanagement so selbstverständlich wird wie Zähneputzen. Es gehört einfach dazu – weil regelmäßige Vorbereitung sinnvoller ist als ein einmaliges Reagieren auf eine große Krise.
Zusätzlich zum Handbuch gibt es einen Selbstlernkurs. Für wen ist dieser Kurs gedacht?
Für alle, die mit Gruppen unterwegs sind – ganz egal, ob haupt- oder ehrenamtlich, ob bei einer Freizeit, einem Ausflug oder im Jugendzentrum. Die Inhalte lassen sich sogar auf andere Bereiche übertragen, etwa für Familien, Kindertagesstätten oder die Nachmittagsbetreuung.
Nach nur einem halben Jahr haben sich bereits über 400 Menschen für den Selbstlernkurs angemeldet – ein klares Zeichen, dass das Thema für Haupt- und Ehrenamtliche eine hohe Priorität besitzt.
Was erwartet die Teilnehmenden im Selbstlernkurs?
Der Kurs ist so aufgebaut, dass man keine Vorkenntnisse braucht. Er besteht aus Videos, Best-Practice-Beispielen und interaktiven Fragen, die helfen, Hintergründe zu verstehen und eigene Notfallpläne zu entwickeln. Insgesamt sollte man etwa sechs Stunden investieren, aber die Inhalte sind flexibel abrufbar. Am Ende können alle den eigenen Notfallkalender erstellen – angepasst an die individuellen Gegebenheiten der eigenen Arbeit.
Was sind drei zentrale Tipps für Jugendleiter:innen im Umgang mit Notfällen?
- Den Notfallordner von Anfang an nutzen! Er begleitet die gesamte Vorbereitung und macht jedes Jahr die Planung leichter.
- Die Vierfach-Analyse hilft enorm! Sie unterstützt dabei, Situationen vorausschauend zu durchdenken und Risiken zu minimieren.
- Klärung im Team ist entscheidend! Gerade die kleinen Abstimmungen im Vorfeld schaffen ein großes Sicherheitsgefühl, insbesondere, wenn man auch Teilnehmende von Beginn an einbezieht.
Und letztlich gilt: Jede gute Vorbereitung minimiert das Risiko!
Gibt es eine besondere Situation aus der Praxis, die euch gezeigt hat, wie wichtig gute Vorbereitung ist? Was wäre euer Wunsch, damit Notfallmanagement in der Jugendarbeit noch selbstverständlicher wird?
Am Abend vor einer Freizeitmaßnahme ist meine Küchenleitung krank geworden und musste absagen, also habe ich, Thomas Ortlepp, kurzfristig selbst kochen müssen. Dabei ist mir schnell klar geworden, wie viele Kleinigkeiten es zu berücksichtigen gibt, zum Beispiel auch, wie lange Nudelwasser kochen muss für so viele Personen.
Daraus entstand sofort ein weiteres Kapitel für das Handbuch.
Denn: Es braucht immer einen Plan B! 😊
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ute Markel, Online-Redakteurin.
Foto oben: Canva