
Spiritualität als Teil der Gesellschaft
Erlebnisse aus Deutschland und Papua-Neuguinea
Was bedeutet es, wenn Glaube nicht nur im Herzen, sondern auch offen sichtbar wird? Diese Frage hat mich, Joel Brodersen, ehem. Vorsitzender des Landesjugendkonvents, während meines internationalen Freiwilligendienstes in Papua-Neuguinea intensiv beschäftigt – und meinen Blick auf Spiritualität geprägt.
Glaube und Konfession stiften Identität
In Papua-Neuguinea ist Religion tief im gesellschaftlichen Leben verwurzelt: Rund 96 % der Bevölkerung bekennen sich zum Christentum. Glaube und Konfession stiften Identität und verbinden die sprachlich und kulturell vielfältigen Ethnien des Landes. Spiritualität wird gemeinschaftlich erlebt, körperlich ausgedrückt und ist fest im Alltag verankert. Auf Straßen und Märkten begegnet man häufig Prediger:innen, die viele Menschen erreichen. Vor Busfahrten ist es üblich, gemeinsam für eine sichere Reise zu beten.
Auch im Alltag meiner Kolleg:innen und Freund:innen spürte ich ein tiefes Gottvertrauen. Besonders beeindruckte mich der geistliche Rhythmus eines Kollegen, bei dem das morgendliche Gebet noch vor dem Aufstehen selbstverständlich zum Tagesbeginn gehörte.
Sehnsucht nach Sinn, Transzendenz und Orientierung
Zurück in Deutschland begegnete mir ein anderes Bild. Zwar genießt die Kirche in Bayern (noch) ein gewisses gesellschaftliches Ansehen – über gelebte Spiritualität wird jedoch kaum gesprochen. Erfahrungen, Zweifel oder Hoffnungen bleiben oft bei jedem einzelnen. Gleichzeitig erreichen traditionelle kirchliche Angebote viele junge Menschen nicht mehr. Dennoch spüre ich, auch außerhalb kirchlicher Räume, dass die Sehnsucht nach Sinn, Transzendenz und Orientierung groß ist.
Die Beziehung zu Gott ist persönlich
Aus meiner Zeit in Papua-Neuguinea nehme ich vor allem den offenen Umgang mit Spiritualität mit – eine Haltung, die ich auch an vielen Orten der Evangelischen Jugend finde. Die Beziehung zu Gott ist persönlich, doch wir leben in einer Gesellschaft, in der vielfältige Glaubensformen und spirituelle Bedürfnisse nebeneinander bestehen. Lasst uns diesen Reichtum anerkennen, offen über Glaubensfragen sprechen, Raum für das Größere lassen – und die Kraft unterschiedlicher Zugänge zur Spiritualität gemeinsam entdecken.
Joel Brodersen
ehem. Vorsitzender des Landesjugendkonvents
Foto: Ferdinand Baune. Kirche in Heldsbach (Papua-Neuguniea)