Wir haben uns der Jugendarbeit verschrieben
Rede des Landesjugendpfarrers Dr. Tobias Fritsche an der letzten Mitarbeitendenversammlung des Amts für evang. Jugendarbeit, Nov. 2024 (gekürzt)
Liebe Mitarbeitende,
die Mitarbeitendenversammlung im Jahr 2024 ist eine denkwürdige Mitarbeitendenversammlung des Amts für evangelische Jugendarbeit. Denn, wie ihr alle wisst, bilden die drei Einrichtungen Amt für Jugendarbeit, Amt für Gemeindedienst und Gemeindeakademie Rummelsberg ab dem neuen Jahr 2025 eine neue gemeinsame Dienststelle als „Wirkstatt evangelisch“. Es sei mir daher gestattet meinen diesjährigen Bericht etwas anders zu gestalten, als in den letzten Jahren.
Sicher ist: Es beginnt etwas Neues.
Immer wieder hört man gerade: das Amt für Jugendarbeit gibt es bald nicht mehr. Sicher ist, dass tatsächlich etwas Neues beginnt. Ein bisschen Wehmut ist deshalb nicht nur erlaubt – wo etwas Neues kommt, muss man sich auch von etwas Liebgewordenen verabschieden.
Das fängt schon bei der Sprache an: Viele Jahrzehnte konnte man sich auf dem Gang einfach fragen: Bist du zufällig morgen im Amt? Und damit fragte man einfach: Bist du morgen in unseren Büroräumen im Hummelsteiner Weg anzutreffen? Wie wir uns das ab dem neuen Jahr gegenseitig fragen, wird sich noch entwickeln: Vielleicht so: Bist du morgen in der „Hummel-Gruppe“ der Wirkstatt? Oder so: Bist du morgen in der Landesstelle der EJB?
Das Wort „Amt“ steht für die Geschichte der Entwicklung evangelischer Jugendarbeit.
Das Wort Amt steht aber nicht nur für die Kurzfassung des Ortes, an dem wir einen Großteil unserer Arbeit verbringen, sondern auch für die Geschichte der Entwicklung evangelischer Jugendarbeit seit den 30iger Jahren des letzten Jahrhunderts.
Wer sich noch nicht die Zeit genommen hat, einmal die Tafeln der Ausstellung zur Geschichte der Evangelischen Jugend Bayern im 4. Stock des AfJ anzuschauen, der sollte das in der nächsten Zeit unbedingt tun. Man kann sagen, dass das Amt für Jugendarbeit nicht nur synonym für seinen Ort im Hummelsteiner Weg wurde, sondern auch ein Symbol für die Arbeit der evangelischen Jugend auf Landesebene. Die Überschriften der Ausstellung sprechen hier für sich: „Die evangelische Jugend stellt sich der Vergangenheit“, „Friedensarbeit hat eine lange Tradition“, Glauben erfahren heißt bei evangelischer Jugend insbesondere auch Gemeinschaft erleben. Erlebnis geht über Ergebnis – nicht nur in der Sportarbeit. Partizipation junger Menschen in der Kirche drückt sich auch in eigenen jugendverbandlichen Strukturen aus. Bewahrung der Schöpfung und jugendgemäße Spiritualität, das Miteinander der Verbände, der Glauben, dass eine andere Welt möglich ist – für all das steht nicht nur die Evangelische Jugend Bayern, sondern auch das Amt für Jugendarbeit.
Unsere Aufgabe wird es sein, diese Themen auch weiterhin in den Blick zu nehmen, auch wenn sich der äußere Rahmen ändert.
Tatsächlich – und das hat mich wirklich überrascht – finden sich in der Geschichte der letzten 90 Jahre auch etliche Anknüpfungspunkte für den neuen Weg, den wir nun ab Jahresanfang einschlagen. Einige Entdeckungen möchte ich mit euch teilen.
Das Amt für Jugendarbeit war am 26. April 1934, als es per Gesetz errichtet wurde, gar kein Ort oder Gebäude, sondern eine Aufgabe. Im Landesjugendpfarrergesetz von ´34 heißt es: „Zur Förderung der Jugendarbeit im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern wird das Amt eines Landesjugendpfarrers errichtet.“
Gemeint war also kein Ort oder Haus, sondern ein Dienst zur Förderung der Jugendarbeit in der gesamten Landeskirche. Ganz im Sinne des Auftrags, den Jesus einmal an den Apostel Petrus gab: Weide meine Schafe – im Fall des Landesjugendpfarramts: Weide meine jüngsten Schäfchen.
Mit dieser Aufgabe wurde der erste Landesjugendpfarrer Heinrich Riedel betraut. Wenn man damals gefragt hätte: Was ist das Landesjugendpfarramt oder Amt für Jugendarbeit, dann hätte Pfarrer Riedel sagen müssen „Das Amt für Jugendarbeit bin ich.“ Schnell wurde aber bemerkt, dass diese wichtige Aufgabe, also das Amt – nicht von einer einzelnen Person gestemmt werden kann. Deshalb wurden ihm bald immerhin zwei Mitarbeiterinnen zur Seite gestellt.
An der Aufgabe, Jugendarbeit zu fördern, ändert sich auch nach der Fusion nichts.
Im Sinne dieses Amtsverständnisses können wir heute gemeinsam sagen: Die Aufgabe, also das Amt, Jugendarbeit in der Landeskirche in Bayern zu fördern – das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Und an dieser Aufgabe ändert sich auch mit der Fusion gar nichts. Sie ist in diesen transformativen Zeiten der Kirche vielleicht sogar so wichtig, wie kaum zuvor.
Wofür schlägt Dein Herz in der Kinder- und Jugenarbeit?
So gesehen fragen wir vielleicht im Januar nicht mehr: Bist du morgen im Amt? Sondern: Na, was ist gerade dein Amt? Also – woran arbeitest du gerade – wie förderst du gerade Jugendarbeit? Wofür schlägt dein Herz gerade in der Kinder- und Jugendarbeit? Das werden auch weiterhin unsere zentralen Fragen sein – als Mitarbeitende, die als Fachstelle sowohl zur Wirkstatt evangelisch, und als Landesstelle zur Evangelischen Jugend Bayern gehören.
Flexibel sein – das ist das, was wir jetzt auch wieder brauchen und wollen.
Das zweite das mir aufgefallen ist: Der Hummelsteiner Weg wurde erst nach und nach als Geschäftsstelle bezogen. Voll und ganz sogar erst ab 1945, also nach dem Krieg. Das erste Büro des neuen Landesjugendpfarrers im Jahr 1934 war nicht der Hummelsteiner Weg, sondern sein Homeoffice in der Fromannstraße – also er hatte sein Büro zuhause.
Denn ein Gebäude, das der Kirche gehört, gab es noch gar nicht. Gekauft wurde Hummel 100 nämlich erst ein Jahre später 1935. Es hieß also flexibel zu sein. Flexibel sein – das ist das, was wir jetzt auch wieder brauchen und wollen: schon jetzt zeigen wir uns flexibel in der Gestaltung unserer Arbeitsplätze, wir werden flexibler zwischen den beiden Standorten Sperberstraße und Hummelsteiner Weg agieren. Wir sind in der Lage durch mobiles Arbeiten überall unserem Auftrag, also unserem Amt zu dienen. Und ab 2026, so ist der Plan, werden wir in den Arbeitswelten die wohl die flexibelste Bürosituation haben, die es derzeit in dieser Landeskirche gibt.
Enge Zusammenarbeit wollen wir in der Wirkstatt evangelisch erreichen.
Schaut man sich die erste Dienstordnung des Landesjugendpfarramts an, fallen weitere interessante Fakten ins Auge. So heißt es dort explizit: Wichtig ist die enge Zusammenarbeit mit dem volksmissionarischen Amt. Gemeint ist damit das heutige Amt für Gemeindedienst – das genauso wie das Amt für Jugendarbeit seine Bezeichnung von einer Aufgabe her bekommen hat – nämlich etwas zu fördern. Die missionarische Arbeit im ganzen Volk. Enge Zusammenarbeit – besser kann man das wohl auch heute nicht beschreiben, was wir in der Wirkstatt erreichen wollen.
Vielen Themen bleiben wir treu.
Vielen anderen Themen der ersten Dienstordnung des Amts bleiben wir auch weiterhin treu – auch wenn wir es heute anders formulieren würden. Das alles würde man wohl als Vernetzungsarbeit beschreiben.
- Kontaktaufnahme mit der Arbeit des Religions- und Konfirmandenunterrichts, des Kindergottesdienstes, der Christenlehre, der Jugendfürsorge
- Pflege der Beziehungen zur Jugendarbeit der zusammengeschlossenen lutherischen Kirchen
Und auch das:
- planvolle Arbeitsgestaltung der gesamten Jugendarbeit der Kirche – das gilt auch heute.
- Auswahl und Schulung der Führer der Gemeindejugendarbeit.
Bis auf das Wort „Führer“ immer noch passend!
- Beschaffung von Schulungsmaterial und Führung eines Mitteilungsblattes
… nur mit dem Unterschied, dass wir heute von Newsletter und Kommunikation via Teams sprechen.
- Dienst an der „wandernden Kirche“ in Wehrmacht, Arbeitsdienst, Landhelferarbeit
… wandernde Kirche – vielleicht auch ein guter Begriff für Gemeinden auf Zeit, die wir heute nicht nur in der Jugendarbeit haben – auch wenn der Begriff Wehrmacht zum Glück nicht mehr vorkommt.
- Und schließlich: Leitung der Landesjugendkammer, die durch den Landeskirchenrat besetzt wird.
Hier merkt am ehesten, wie sich Partizipation weiterentwickelt hat: Die Kammer wird gewählt und von Ehrenamtlichen selbständig geleitet – nicht vom Landeskirchenrat bestimmt und vom Landesjugendpfarrer geleitet.
Es ist eine Zeit des riesigen Wandels.
Eins ist klar: Das, was unsere Zeit heute mit der Zeit des Anfangs verbindet ist, ist mehr als man glaubt. Was die Zeiten verbindet ist ein riesiger Wandel. Neuer Ort, neuer Name, neue Mitarbeitende – das war auch die Situation vor 90 Jahren. Was seitdem gewachsen ist, sollte uns Mut machen: Rund 40 motivierte Mitarbeitende, die sich der Förderung der Jugendarbeit verschrieben haben – gut ausgestattet – bestens vernetzt – nah dran an den Themen junger Menschen – und immer auch den Wandel gestaltend – diesen Weg werden wir in der Wirkstatt weitergehen.
Ja, wir arbeiten zwar bald nicht mehr in einem Amt – aber wir haben weiterhin ein Amt – das uns verbindet – nämlich Jugendarbeit nach Kräften zu fördern und gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in der Wirkstatt auf diese Weise Kirche und Gemeinde zu entwickeln. Genau das werden wir tun.
Dr. Tobias Fritsche
Landesjugendpfarrer