
Zwischen lost & found – Jugend auf Sinnsuche
Ein Interview mit Sebastian Heilmann und Statements von Ehrenamtlichen
Der Landesjugendkonvent tagte am Christi Himmelfahrtswochenende zum Thema “ Zwischen lost & found – Jugend auf Sinnsuche“. Patrick Wolf, Referent für Kommunikation, hat mit Sebastian Heilmann, Referent für Innovation und Konzeptionsfragen, zum Thema „Junge Menschen und moderne Spiritualität“ gesprochen.
Welche Formen beobachtest du besonders häufig, wenn es um moderne Spiritualität bei jungen Menschen geht?
Die Jugendarbeit bietet eine große Vielfalt von spirituellen Formen, die junge Menschen erleben können. Zum Beispiel Erlebnisse in der Natur, am Lagerfeuer die Magie erleben, durch den Wald gehen, sich mit der Vielfalt von Tier- und Pflanzenwelt auseinandersetzen aber auch die Nacht unter dem Sternenhimmel.
Auch andere Formen des Betens werden ausprobiert. Da steht an erster Stelle die Musik, das Miteinandersingen, Lobpreis zum Beispiel. Doch auch Beten in konplentativem, meditativen Sinn, die alten Formen des Sitzens, Schweigens und Hörens, die den Geist beruhigen. Oder kreative Formen zum Beispiel sich gegenseitig segnen oder in der Kirche Kunterbunt der Konfettisegen und der Brausesegen. Doch auch die klassischeren Formate wie Andachten oder Jugendgottesdienste sind natürlich weiterhin gut besucht.
Gibt es Unterschiede zwischen früheren Generationen und den Bedürfnissen junger Menschen im Hinblick auf Spiritualität?
Ich würde ja sagen Ja und Nein. Nein, weil das Spirituelle ein Grundbedürfnis ist von uns Menschen. Die Allermeisten fragen nach dem Sinn im Leben, fragen nach dem „Wo gehöre ich dazu?“, „Wo ist mein Platz?“, „Wo komme ich her?“ „Wo gehe ich hin?“. Und das ist, glaube ich, seit Jahrhunderten gleich. Was sich natürlich ändert ist die Lebenswirklichkeit. Unsere Zeit, die Art, wie wir uns ausdrücken hat sich verändert. Vor hundert Jahren war Kirche, das kirchlich Religiöse und spirituelle Leben dominant. Der „klassische Gottesdienst“, die Liturgie, die Psalmen, die vorformulierten Gebete, waren vorhanden und wurden genutzt. Mit der Liberalisierung und der Vielfalt, die heute möglich ist, haben sich auch die Formen verändert und individuelle Ausdrucksmöglichkeiten ermöglicht. Das ist eine schöne, weil junge Menschen heute auch in ihren Formen und ästhetischen Ausdrucksweisen auf Gottsuche gehen können.
Du sagst, junge Menschen haben andere Formen, spirituell Erfahrungen zu sammeln. Was ist deine Erfahrung: Was motiviert junge Menschen überhaupt auf so eine spirituelle Erfahrungsreise zu gehen? Was treibt sie an? Ist es der Sinn? Ist es die Gemeinschaft? Ist es die Orientierung?
Grundsätzlich ist es erstmal da. Das junge Menschen von sich aus die großen Fragen stellen, sehen wir bei den Kindern. Sie werden einfach gestellt. Was sie motiviert, ist natürlich ihr Leben. Man stößt im Alltag auf Fragen, auf die man Antworten sucht, zum Beispiel nach dem Sinn des Lebens. Auch Studien zeigen, dass die Frage nach dem Sinn des Lebens die allermeisten jungen Menschen beschäftigt. Das lässt sie auf die Suche gehen. Sie stellen aber auch in der Gemeinschaft sowohl mit erwachsenen Bezugspersonen und Vorbildern als auch Gleichaltrigen und Freunden fest: „Es gibt Menschen mit Lebenserfahrung, die Spiritualität leben, die Erfahrungen machen mit Gott, von denen ich vielleicht auch profitieren kann.“ Und wenn junge Menschen erleben, wie heilsam es ist, Momente der Stille zu haben oder Spiritualität in actionreichen Musikandachten zu erleben oder draußen in der Natur gut begleitet zu sein, dann passiert das ganz automatisch. Der Zugang ist immer die Erfahrung. Eine Erfahrung, eine spirituelle Erfahrung, die ich mache, prägt, trägt und motiviert weiterzugehen. In unserer Jugendarbeit öffnen wir diese Räume, wo solche Erfahrungen möglich werden, ohne dass wir sie vorgeben. Man kann nicht sagen „Erleuchtung – jetzt“, sondern wir sind mit den jungen Menschen unterwegs, begleiten sie, erfahren, was sie beschäftigt und greifen ihre Lebensthemen auf.
Kannst du das konkreter beschreiben? Wo macht Kinder- und Jugendarbeit konkret Räume auf? Wie passiert das? Wie kann man sich das vorstellen?
Man könnte sagen, Spiritualität oder auch religiöse Ausdrucksformen kann man einfach vermitteln. Das war vielleicht die Idee eines Konfi- oder Reli-Unterricht, wo man sagt, man muss nur die Schritte A, B, C, D befolgen, dann ist man irgendwie Christ oder ein spiritueller Mensch.
So einfach ist es aber nicht. Kinder- und Jugendarbeit geht einen anderen Weg. Hier heißt es: „Wir bieten ein Zeltlager an.“ Hier gibt es Erlebnisse in der Gruppe, auch Streit. Diese Erlebnisse können aufgegriffen werden. Abends bei der Andacht kann auf Situationen vom Tag eingegangen werden. So kommen junge Menschen auf einer ganz anderen Ebene miteinander ins Gespräch. Oder am Lagerfeuer: Man genießt die Wärme, genießt diesen magischen Moment und reflektiert mit den Kindern und Jugendlichen: Was passiert denn da mit dir? Und was heißt das, in die Flammen zu schauen, ins Licht zu schauen, die Gedanken schweifen zu lassen und wo gehen die hin? Wo erlebst du vielleicht Flamme und Feuer in deinem Leben? Diese Erfahrungen erreichen eine tiefere Ebene. Die Räume entstehen auch in der Gemeinschaft, in der man die Kinder und Jugendlichen beteiligt, indem sie das Programm mitgestalten und eine hohe Partizipation ermöglichen. Das ist der große Schatz der Kinder und Jugendarbeit. Wir haben keinen Lehrplan, sondern sind ein Gestaltungsraum, den Kinder und Jugendliche sich selbst aneignen können.
Ich würde zum Schluss die Rolle von Institutionen, wie der Kirche ansprechen, wenn es um die Spiritualität junger Menschen geht. Welche Rolle hat denn da Kirche? Wo gibt es Brüche? Und wo braucht es vielleicht auch neue Ansätze?
Aus der Sicht junger Menschen ist ziemlich klar, dass Glaube und Spiritualität nicht unbedingt mit Kirche verbunden sind. Wir wissen, dass etwa jeder 5. junge Mensch sich selbst als religiös bezeichnet, also ca. 20 %. Aber 50 Prozent der jungen Menschen sagen, sie sind gläubig. Das liegt vor allem daran, dass die kirchliche Spiritualität als sehr eng empfunden wird, sehr dogmatisch. Ich bin Diakon und auch sehr gerne in der Kirche, weil ich weiß, dass man sehr viele unterschiedliche Glaubensformen leben kann. Dies können wir jungen Menschen zeigen, indem wir sagen: „Wir als Kirche sind nicht ein festgelegter Raum, wo Spiritualität nur auf die eine Art und Weise – ich sag mal Sonntagmorgen um 10 Uhr mit Orgel und fester Liturgie – gelebt werden kann. Alle, die sich in der Kirche engagieren, wissen: Es gibt so viel mehr, was Kirche zu bieten hat. Wenn wir das zeigen können, dann haben wir gute Chancen. Wir wissen, dass junge Menschen Spiritualität erleben – im Helfen, im sich Einsetzen für einen höheren Sinn und für gute Sachen. Unsere christliche Botschaft von Gerechtigkeit in der Welt, Frieden und dem Schutz der Schöpfung spricht junge Menschen. Wir wissen, dass junge Menschen ein Interesse daran haben zu reisen und sich durch die Erkundung der Welt neue Horizonte zu erschließen. Dies ist auch eine Form von Spiritualität ist, wo wir mit unserer Freizeitarbeit super andocken können. Wir als Kirche machen sind mit unseren Partnerkirchen, international vernetzt. Das Christentum war schon immer eine weltweite Bewegung.
Und für die Reise zu sich selbst, wie es in der Spiritualitätsforschung heißt, haben wir auch gute Möglichkeiten als Kirche. Wir haben die Räume und Gebäude, wo wir gute Anleitungen dafür anbieten können. Es gibt schöne Kirchen, aber auch die Räume in der Natur. Ich denke an unser Jugendbildungszentrum in Pappenheim, mit Wald, dem Hochseilgarten, wo wir draußen sein können, wo für junge Menschen Momente der Stille und der Einkehr möglich sind, um diese Fragen zu reflektieren. Wir haben einen großen Schatz aus der Vergangenheit und wir haben das Personal. Wir haben Menschen mit feinen Antennen für das, was auch jenseits der sichtbaren Welt liegt. Ich glaube, die Haltung, die wir dafür brauchen ist, dass es nicht darum geht, irgendjemanden zu missionieren, sondern um Räume aufzumachen, wo spirituelles Erleben möglich ist und wo die Kinder und Jugendlichen selbst auf den Geschmack kommen, sich damit auseinander zu setzen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Statements von Ehrenamtlichen am Landesjugendkonvent zu ihrer Spiritualität
Ich bin Malte, Vorsitzender der Evangelischen Jugend in Bayern. Ich lebe als Form von moderner Spiritualität ganz klar die Musik, gemeinsam zusammenkommen, Worship Lobpreislieder singen. Dabei mache ich die Erfahrung immer wieder, dass, wenn ich ein Lied singe, dessen Text mir ganz besonders nahe geht, es etwas ganz anderes ist, als wenn ich einfach nur ein Text über Gott und Jesus lese. Während ich ihn singe, oder ihn mit anderen singe, fühle ich mich ganz nah und habe heilige besondere Momente. Das ist eine Form, die mir sehr gut tut und die ich immer wieder erleben will. Da finde ich Ruhe, da finde ich Kraft und da finde ich vor allem die Nähe zu Gott.
Ich bin Pauline, 23 Jahre alt und aus dem Dekanat Passau. Ich bin im Leitenden Kreis und als Leitender Kreis bereiten wir den Landesjugendkonvent vor. Der Landesjugendkonvent ist eine Veranstaltung für alle ehrenamtlichen Jugendlichen in Bayern. Für jedes Jahr wählen wir ein Thema. In diesem Jahr war es moderne Spiritualität, mit dem Titel „Lost and Found – Jugend auf Sinnsuche“. Will wollen den Jugendlichen die Möglichkeit geben, ihre eigene Form der Spiritualität zu finden, weil viele oft wahrscheinlich noch Lust fühlen, so wie ich es manchmal tue. Meine Form der Spiritualität, wo ich am besten Spiritualität leben und mit Gott in Kontakt treten kann, ist der Lobpreis. Dabei fasziniert mich besonders die Gemeinschaft, die da existiert und das da alle so in diesen Bann gezogen werden mit dem Fokus auf Gott und Gott anzubeten.
Mein Name ist Kai. Ich bin Mitglied der Landesjugendkammer der EJB und komme aus dem Dekanat Nürnberg. Meine Erfahrungen mit moderner Spiritualität sind die Erfahrbarkeit von Gott in der Natur, wenn ich durch Wälder laufe und dort die Verbundenheit nicht nur zur Natur, sondern auch zu Gott spüren kann. Und die Erfahrung, Musik zu hören und dort Ruhe zu finden und durch christliche Lieder neue Perspektiven auf Gott zu bekommen. Ich finde es wichtig, moderne Spiritualität auch durch diese verschiedenen Ebenen und durch verschiedene Sinne zu erleben, um mit allen Sinnen Spiritualität erleben zu können.
Hallo, ich bin Julian. Ich bin 27 Jahre alt. Ich komme aus dem Dekanat Bad Tölz. Spiritualität bedeutet für mich Zeit nehmen. Zeit nehmen für sich, Zeit nehmen, um sich selbst kennenzulernen, um die Schöpfung kennenzulernen, um Inne zu halten und die Welt zu betrachten. Und für sich auch ins Grübeln zu kommen und dadurch eine Verbindung zur Natur und vielleicht auch zu Gott zu bekommen und dann seinen inneren Frieden finden oder suchen.
Fotos: ejb