Mit jungen Menschen auf dem Jakobsweg

Pilgern mit der Evangelischen Jugend Altdorf

 

„Bevor es losgeht, holt bitte eure Pilgerheftchen hervor. Wir richten uns mit unserem gemeinsamen Gebet in alle vier Himmelsrichtungen aus, den Kompass lege ich hier in die Mitte.“ Und schon sind wir mittendrin in einer unserer Pilgertouren mit jungen Menschen auf dem Jakobsweg. Mit der ersten Pilgertour sind wir von der Evang. Jugend Altdorf 2015 in Rummelsberg gestartet und in mehreren Etappen durch Bayern, Baden-Württemberg bis zum Bodensee an das „Schweizer Ufer“ gepilgert.

 

Pilgern: Erfahrungen – Eindrücke – Neuausrichtung

Jede Pilgertour startet mit einer kleinen Auszeit. Hier können alle Teilnehmenden in sich hineinhören und sich die zentralen Fragen stellen: „Was möchte ich auf dem Weg zurücklassen, was belastet mich?“ und „Worauf möchte ich mich ausrichten, was für Sehnsüchte habe ich?“

 

Die Antworten halten die jungen Pilger:innen in einem Pilgerheftchen fest. Hier finden sie kleine Kartenausschnitte, Platzhalter für Pilgerstempel, Gebete und leere Seiten. Diese gilt es während der Pilgerwanderung mit den Erfahrungen und Eindrücken zu füllen. Zur weiteren Ausstattung gehört die Jakobsmuschel an unseren Rucksäcken, die uns als Pilger kennzeichnet.

Wir pilgern in Etappen von Rummelsberg nach Schaffhausen

Seit unserer ersten Pilgertour 2015 mit Startpunkt Rummelsberg knüpfen wir immer an dem letzten Etappenziel an und machen uns dann neu auf den Weg. Und jedes Mal bedeutet diese Zeit wieder: Gemeinschaft, Abenteuer, Besinnung und Einkehr, Natur und Veränderung.

 

Von Konstanz nach Schaffhausen

Bei unserer Pilgertour von Konstanz nach Schaffhausen waren wir zu siebt unterwegs. Sehr schnell entwickelte sich eine großartige Gruppenatmosphäre und ein wunderbarer Zusammenhalt.

Unser erstes Ziel war ein Campingplatz am Brombachsee. Von hier aus wollten wir uns auf den Jakobsweg machen. Der Campingplatz war sehr voll und der nächste Supermarkt für die Abendversorgung lag etwas abseits. Wir bauten die Zelte auf, nahmen ein erstes Bad, kümmerten uns um das Abendessen. Erschöpft suchten alle schnell ihre Zelte auf. Doch leider fand in dieser Nacht ein Volksfest in der Nähe statt. So merkten wir schnell – das ist Pilgern. Die Gegebenheiten vor Ort sind nicht plan- und einschätzbar.  Bevor wir uns am nächsten Morgen auf den Weg nach Konstanz machten, richteten wir uns aus. Wir wandten uns dabei allen Himmelsrichtungen zu:  Nach Norden zu Gott, nach Osten zu Jesus, nach Süden zum Geist und nach Westen zur Hoffnung, verbunden mit einem Gebet.

 

Von Konstanz nach Steckborn

Die erste Etappe führte uns über die Grenze in die Schweiz auf einem wunderschönen Weg am Rhein entlang. Auch von ein paar Regentropfen ließ sich das Hochgefühl nicht stoppen, im Gegenteil, es verhalf zu dem Gefühl der Verbundenheit mit der Natur. Bis zu unserer ersten Unterkunft in Steckborn sind es 24 km. Wir trugen alles mit: Zelte, Kocher, Schlafsack und ein wenig Kleidung.

Ein Gefühl der Ungebundenheit

„Dass wir alles mittragen, gibt einem irgendwie das Gefühl der Ungebundenheit“, sagte jemand aus der Gruppe und natürlich unterschieden wir uns von Menschen, die eine Tageswanderung machten, nicht nur wegen unserer Ausrüstung, sondern aber auch in unserer inneren Haltung, mit der wir unterwegs waren. Auf dem Weg gab es Momente der Stille, Momente des Alleine-Laufens und Momente für Gespräche. Die erste Etappe ist dabei meist die unterhaltsamste (je nach Steigungen), hier findet noch Kennenlernen statt und Freund:innen geben sich ein „Wie geht’s dir – Update“.

 

Ich bin auf dem richtigen Weg.

Die erste Etappe dient auch dazu, den eigenen „Tritt“ und das eigene Tempo zu finden.
Mit Blick auf eine Schweizer Bunkeranlage teilen wir mitgebrachten Proviant und freuen uns darüber, dass wir beim vorbeiziehenden Regenschauer einen kleinen Unterstand haben. An Wegkreuzungen suchten wir immer wieder nach der Jakobsmuschel als Wegzeichen. Es ist wie eine Vergewisserung, nach der man sucht und über die man sich immer wieder freut: „Ich bin auf dem richtigen Weg.“

Mit einem Abendgebet beschlossen wir den Tag. Ein gewisser Stolz lag in den Gesichtern, auch weil es am Ende noch recht anstrengend wurde, die ersten Blasen aufgetreten waren und das Gepäck vielleicht doch schwerer war, als gedacht.

 

Von Steckborn nach Diessenhofen

Am nächsten Morgen ging es nach Frühstück, Morgengebet und Ausrichtungsritual in Richtung Diessenhofen – ca. 22 km lagen vor uns.

 

Was seid ihr für eine Wandergruppe?

Die Gespräche wurden tiefgründiger. Die Natur war wunderschön und am Rheinufer gab es immer wieder kleine Strandbäder, die zum Verweilen einluden. „Langsam müssten wir uns auch mal, was zum Mittagessen besorgen, aber heute ist Sonntag!“ Zum Glück standen wir plötzlich vor einem Hof mit Hofladen, der mit Selbstbedienung auch am Feiertag geöffnet hat – wie wunderbar. 

Der Weg führte uns an kleinen und großen Kirchen vorbei. Dabei waren wir stets auf der Suche nach einem Pilgerstempel, genossen das Sitzen auf einer Kirchenbank, die Abkühlung und die Stille an einem fremden und doch nicht fremden Ort.

Überall trafen wir auf Menschen, die uns ansprachen: „Und was seid ihr für eine Wandergruppe?“ oder „Toll, junge Menschen auf dem Jakobsweg! Super Sache!“. Da wurden auch ganz unvermittelt Fragen nach dem Glauben gestellt, welche dann auch zu kleinen Diskussionen führen können.

 

Menschen reichen uns bei Hitze Wasser aus dem Fenster

Die Begegnungen auf dem Jakobsweg waren einmalig. Wir trafen Menschen, die uns Fragen mit auf den Weg gaben oder uns zum Schmunzeln brachten. Da war zum Beispiel eine ältere Frau in einer Kirche, die sich ein Lied „Ins Wasser fällt ein Stein“ von uns wünschte, Menschen, die uns Visionen mitgeben wollten, die nach dem Weg fragten, wo gar keiner ist, die uns in der Hitze Wasser aus dem Fenster reichten.

Die zweite Etappe endete dieses Mal an einem kleinen Campingplatz direkt am Rhein. Hier ließen wir den Abend mit dem Abendgebet und in Gemeinschaft ausklingen.

 

Von Diessenhofen nach Schaffhausen

Die dritte Etappe führte uns in Richtung Schaffhausen, wieder am Rhein entlang durch wunderschöne Landschaftsabschnitte. Die Impulse für diesen Tag lauteten: Laufen mit einem bestimmten Lied, mit einem bestimmten Blick auf den Wegesrand, in Stille, mit einem Bibelvers.

 

Mit Segen unterwegs

Es war Pfingstmontag und auf einer „Rheinwiese“ erlebten wir bei strahlendem Sonnenschein eine Andacht zum Thema. „Pfingsten lässt sich gut erleben in der Natur“, sagte anschließend jemand, doch fünf Minuten später zog ein Unwetter auf. Wir konnten uns gerade noch in ein ehemaliges Kloster retten und hatten wieder einmal das Gefühl, dass wir mit einem besonderen Glück unterwegs waren – oder vielleicht war es doch ein Segen?!

 

Am Campingplatz Schaffhausen angekommen konnten wir dann sogar noch im Rhein baden. Es war der letzte Abend und so blieben wir nach dem Abendgebet etwas länger sitzen.

„Die sieben Werke der Barmherzigkeit“

Am nächsten Tag lag nur noch ein kurzer Weg nach Schaffhausen vor uns.

In Schaffhausen besuchen wir zum Abschluss und für den letzten Pilgerstempel das Münster. Hier fiel uns das Altarbild auf. Es stellt so wie in Rummelsberg die sieben Werke der Barmherzigkeit dar, nur in Form eines großen gewebten Tuches.

 

Eine besondere Pilgerreise ging nun zu Ende. Dabei sammelten wir viele Eindrücke. Wir hatten viele lustige und tiefgründige Begegnungen, konnten unseren Erfahrungsschatz erweitern und durften uns neu ausrichten.

 Und es wird weitergehen. Die nächste Etappe ist schon in Planung. Wir freuen uns darauf.

 

Benedikt Vogt
Dekanatsjugendreferent in Altdorf

 

Fotos: EJ Altdorf