„Der Heilige Geist trägt manchmal Gummistiefel
… manchmal trägt er auch eine Badehose“
Freizeiten sind prägende Erlebnisse mit der EJ. Das konnten jetzt in den Sommerferien wieder viele Kinder, Jugendliche und sogar deren Eltern erleben.
Wenn leuchtende müde Augen, aufgeregtes Geschnatter, glückliche junge Menschen, Wiedersehensfreude und Wehmut an einem Ort zusammenkommen, wird man vermutlich gerade Zeug:in einer Ankommenssituation nach einer Kinder-, Konfi- oder Jugendfreizeit. Ein wahrlich magischer Moment, wenn sich Eltern und Kinder in die Arme fallen, ein kurzes, aber herzliches „Servus“ an die Eltern von einem breiten Grinsen der Wiedersehensfreude begleitet wird und Tränen fließen, weil man sich von neu gewonnenen Freundinnen und Freunden verabschieden muss.
Freizeiten gibt es, so lange es evangelische Jugendarbeit gibt.
Sie sind eines der Kernstücke im Angebot von Gemeinden, Dekanaten oder den Mitgliedsverbänden. Ob nur für eine Nacht, übers Wochenende oder mehrere Wochen, der zeitliche Rahmen ist ebenso vielfältig wie die Angebote selbst: Segeln auf dem Ijsselmeer, Wandern in Norwegen, Konficamp in Italien, Kinderfreizeiten und – zeltlager, die Liste ist schier unerschöpflich, die Formen, Inhalte und Reiseziele so unterschiedlich wie die jungen Menschen selbst.
Alle erzählen noch Jahre danach davon.
Und doch haben alle diese Angebote eines gemeinsam: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erzählen noch viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte, nach ihrer Teilnahme davon, was für tolle Erfahrungen sie gemacht und welche nachhaltigen guten Erinnerungen sie sich behalten haben. Ein Phänomen, das man zwar erklären, in seiner Gänze aber nicht abschließend erfassen kann.
Junge Menschen brauchen diese speziellen Orte.
Die Freizeitenarbeit in der Evangelische Jugend hat es mit der Corona- Pandemie voll erwischt. Zwei Jahre in Folge waren keine Angebote möglich, im Jahr drauf nur eingeschränkt und mit hohem Energieeinsatz. Junge Menschen brauchen diese speziellen Orte, an denen sie mit Gleichaltrigen zusammen sein können, nicht nur, aber vor allem nach den Isolationserfahrungen der Pandemie. Sich selbst im Kontext einer Gruppe zu erleben und zu reflektieren, stärkt den Aufbau sozialer Kompetenzen und das eigene Wirksamkeitserleben. Aus zahlreichen Studien wissen wir, dass genau diese Kompetenzen in den letzten drei Jahren aus Sicht junger Menschen gelitten haben oder – so beschreiben es die Befragten selber – verloren gegangen sind.
Die Gruppe als resilienzstärkende Größe
Auf einer Freizeit kommen unterschiedliche junge Menschen in einem Gruppengefüge zusammen, lernen sich kennen, und erfahren die Gruppe als soziale Einheit, in der das eigene Verhalten und Agieren im Kontext der Gesamtgruppe eine Rolle spielt. Sie erleben einen Raum, in dem verschiedene Stärken und Talente zusammenkommen und lernen, sich zu reflektieren, Spannungen auszuhalten und Gruppenprozesse aktiv mitzugestalten. Auf einer Freizeit ist es schwer, sich dem Geschehen zu entziehen, jede:r Einzelne ist wichtig und muss seinen und ihren Beitrag zum Wohl der Gemeinschaft leisten. Wenn das gelingt, kann die Gruppe als resilienzstärkende Größe wahrgenommen werden, in der jede:r einen Platz findet. Konfliktfähigkeit ist dabei genau so wichtig wie die direkte Rückmeldung auf das eigene Verhalten und Wirken im Gruppenzusammenhang. Was nach hohem Anspruch klingt, ist – weil es im Rahmen evangelischer Jugendarbeit fachlich-professionell von haupt- und ehrenamtlichen Teams begleitet wird – in den meisten Fällen eine gut zu gestaltende und gelingende Aufgabe. Am Ende steht dann eine Erfahrung, die sich nachhaltig in den Köpfen und Herzen festsetzt und von der viele Menschen ihr Leben lang zehren und erzählen.
EJ ist nah an der Lebenswirklichkeit junger Menschen.
Die Freizeitenarbeit in der Evangelischen Jugend ist professionell aufgestellt und wird von gut ausgebildeten Teams unterschiedlicher Zusammensetzung begleitet. Mal ganz ehrenamtlich, mal im Zusammenspiel mit Hauptberuflichen, fachlich und methodisch an der Altersgruppe orientiert ist diese Arbeit immer. Dabei wird auf lockere und spielerische Art und Weise ein Bildungsort geschaffen, der nicht nur Spaß macht, sondern die Themen und Inhalte ganz nah in die Lebenswirklichkeit der jungen Menschen bringt.
Gespräche über „Gott und die Welt“
Und das gilt insbesondere auch für Glaubensthemen. Bei Gesprächen über im wahrsten Sinne „Gott und die Welt“ entstehen dichte Momente der Begegnung mit dem eigenen Glauben, der eigenen Religiosität und Spiritualität fern ab von einem festen Curriculum. Auf einmal öffnen sich Räume, in denen geschützt und ehrlich um Themen gerungen und diskutiert wird, wo auch Zweifel ihren Ort finden und eigene Erfahrungen ausgetauscht werden. Durch gezielte Angebote wird Spiritualität in einem altersgruppengerechten Rahmen erlebbar gemacht, die Sanddüne plötzlich zum anrührenden Gottes(dienst)ort, der erfrischende Regen zur Gottesbegegnung.
„Der Heilige Geist trägt manchmal Gummistiefel und manchmal eine Badehose“, fasst es ein Kind nach einem Kinderzeltlager für seine staunenden Eltern zusammen. Es hat gespürt und verstanden, dass etwas besonderes passiert, wenn sich Gemeinschaft entfaltet, wenn die gemeinsam gesungenen Lieder am Lagerfeuer mehr sind als Worte und Noten, wenn Begegnungen und Gespräche, erlebte Wertschätzung und Mitbestimmung die ehrliche Basis des Miteinanders sind. Es hat eine Form von Gemeinde und Kirche erlebt und wird noch lange davon erzählen.
Kirche als verlässliche Anbieterin professioneller Angebote
Über die Freizeitenarbeit erreichen wir als Jugendarbeit und Kirche auch junge Menschen, die bisher nicht im kirchlichen Kontext auftauchen. Durch die Vor- und Nachbereitung sind – je nach Alter der jungen Menschen – auch deren Eltern miteingebunden und erleben Kirche als verlässliche Anbieterin professioneller Angebote für ihre Kinder. Die Möglichkeit zu haben, ohne Eltern wegzufahren ist für viele Kinder und Jugendliche etwas ganz Besonderes.
Teilnahme soll allen ermöglicht werden.
Durch die Zuschuss- und Finanzierungsmöglichkeiten dieser wertvollen Arbeit gelingt es immer öfter, auch sozial schwächeren jungen Menschen die Teilnahme zu ermöglichen. Dies wird in den nächsten Jahren sowohl Anspruch als auch Herausforderung sein und bleiben. Denn mal Hand aufs Herz, ob in Italien, Norwegen, Frankreich, Spanien oder am Brombachsee, der Charakter und die bleibenden Eindrücke eines Freizeitangebotes hängen nicht in erster Linie vom Ort, sondern vielmehr von den Menschen ab die dabei sind.
Ilona Schuhmacher
Referentin für Grundsatzfragen und Jugendpolitik
Vize-Präsidentin des Bayerischen Jugendrings
Foto oben: EJ Weilheim
Foto unten: P. Wolf