Jetzt ist die Zeit für dieses Thema

Interview mit Dr. Constanze Pott

Constanze Pott lebt seit Anfang 2023 offen als Frau. Als Transfrau hat sie beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg mitgewirkt. Auf der Landessynode im Frühjahr 2023 sprach über ihre Transition. Damit hat sie mit einem mutigen Schritt das Thema „queer“ in der bayerischen Landeskirche befördert.

Malte Scholz, Vorsitzender der Evang. Jugend in Bayern, sprach mit Constanze Pott über ihre Beweggründe.

 

Constanze, Du hast auf der Synode über Deine Transition berichtet. War es schwer, sich vor so vielen Leuten zu öffnen?

Der Auftritt in der Synode war natürlich vorbereitet.

Über den Redetext hatte ich mich mit Elisabeth Hann von Weyhern, der Nürnberger Regionalbischöfin, ausgetauscht. Auch Landesbischof Bedford-Strohm hat mir den Rücken gestärkt. Als ich drei biblische Stellen zusammen hatte, dachte ich: Ich habe wirklich ein Statement zu meinem Wandel und das will ich jetzt meinen Con-Synodalen mitteilen. Mir ging es darum, die Zweifler oder Kritiker abzuholen und ihnen anzubieten: Wenn ihr Fragen habt, kommt auf mich zu.

 

Du hast am Kirchentag während des Abschlussgottesdienstes auf dem Kornmarkt gesprochen. Wie ging es Dir da?

Ich hatte ein super Team, das mit mir alles vorbereitet hat. Jedes Wörtchen wurde auf die Goldwaage gelegt. Alles war sekundengenau getimt. Aber dann stand ich hinter der Bühne und musste die Stufen hochgehen. Auf der halben Treppe sind mir die Knie weich geworden. Soll ich das jetzt wirklich machen? Aber dann dachte ich an die vielen jungen Menschen, die auf queer-Workshops zu mir gesagt haben: „Ich wünsche mir ein klares Statement von der Kirche!“ Und ich dachte: Ja, diese Show machen wir jetzt. Das Statement ist jetzt an der richtigen Stelle. Ich wusste: Jetzt ist die Zeit für dieses Thema.

 

Welche Reaktionen gab es auf Deinen Auftritt?

Mein Team war total gerührt. Menschen sprachen mich an und sagten: Constanze, Du hast so großen Mut bewiesen, kannst Du mir helfen?

Die Presse hat mich sofort belagert. Eigentlich wollten wir gerade das vermeiden. Doch durch die Pressemeldung stand ich plötzlich als „Constanze“ im Mittelpunkt. Allerdings stürzte sich die Meute zunächst auf Quinton Caesar, den Prediger am Abschlussgottesdienst am Hauptmarkt. Als die Website seiner Heimatgemeinde wegen Hassangriffen offline genommen wurde und sich Thomas De Maizière und Kristin Jahn, Generalsekretärin des Kirchentags, hinter uns gestellt haben, haben manche Leute sich bemüßigt gefühlt, ihren Shitstorm auch bei mir abzuladen.

 

Hat Dich der Shitstorm getroffen und was sagst Du denen, die Dich ablehnen?

Das Gute bleibt, das Böse vergeht. Einige Leute haben wohl böse Kommentare auf Halde und posaunen diese dann copy und paste raus. Ich habe auch viele Freundschaften geschlossen und das ist das Gute, das bleibt. Ich fühle mich getragen von den vielen positiven Reaktionen.

Versucht zu verstehen und zuzuhören. Ihr müsst es nicht befürworten, aber respektiert, was mein innerer Kampf war und warum ich diesen Weg gehe. Folgt dem Beispiel Jesu, wie er mit Menschen umgegangen und auf Randgruppen zugegangen ist. Es gibt Randgruppen, die viel mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung von uns brauchen. Warum hängen wir uns an diesem queer auf. Seien wir doch froh, dass Menschen sich gefunden haben und es ihnen gut geht.

 

Was ist Deine Botschaft an Menschen, die Ähnliches erleben?

Mir hat mein Glaube geholfen. Er gibt Stärke und Kraft auch durch schwierige Zeiten der Transition durchzukommen. Ich habe die Kirche zum Glück immer als safe space empfunden. Meine Botschaft lautet: Seid das Salz und das Licht dieser Welt! Überwindet Eure Unsicherheit. Ihr werdet andere Menschen finden, die Euch auf Eurem Weg unterstützen. In diesem festen Glauben verschwinden die Zweifel und es findet sich ein Weg, weil Du diese Gotteskraft ausstrahlst und andere ermutigst.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Constanze Pott ist Mitglied der Landessynode der Evang.-Luth. Kirche in Bayern. Sie kommt aus der Christusgemeinde Neunkirchen am Brand im Dekanat Gräfenberg.

Das Interview wurde auch in der Ausgabe der zett Zeitung für evangelische Jugendarbeit in Bayern 4/2023 veröffentlicht.

 

Foto oben: FootageS/istock
Foto im Text: privat

 

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