Jung und Queer

Ein Interview über Diskriminierung und die Jugendinitiative Fliederlich e.V.

Seli ist 24 Jahre alt und engagiert sich seit 2017 ehrenamtlich bei der Jugendinitiative von Fliederlich e.V. in Nürnberg.

Für die antenne, das Magazin der Evang. Jugend in Nürnberg, hat Daniela Schremser von der antenne-Redaktion Seli zum Interview getroffen.

Hallo Seli, danke, dass Du dir Zeit für dieses Interview nimmst. Wie bist du zur Jugendinitiative Fliederlich gekommen?

Hallo! Ich bin seit 2016 dabei und seit 2017 im Team. Ich bin damals aus denselben Gründen hergekommen, wie wahrscheinlich jeder, der herkommen möchte. Einfach um andere queere Jugendliche in der Nähe zu treffen, kennenzulernen, Freundschaften zu knüpfen. Ich wurde damals auch sehr schnell aufgenommen und hab mich superschnell wohlgefühlt.

 

Was sind aus deiner Sicht die größten Hürden, denen queere Jugendliche im Alltag begegnen?

Natürlich immer noch Diskriminierung. Vor allem in der Öffentlichkeit. Da ist eben die Wahrscheinlichkeit höher, mit vielen verschiedenen Menschen zusammenzutreffen als zum Beispiel in der Schule. Aber auch in der Schule passiert Diskriminierung. Auch der Druck sich vor Eltern oder Verwandten zu outen ist hoch. Dass die das nicht gut aufnehmen, es kritisch wird und es dann vielleicht schwierig ist, weiter zuhause zu leben. Für manche ist es auch herausfordernd, Kontakte zu knüpfen. Es gibt immer wieder Leute, die erzählen, dass sie lange gebraucht haben, sich zu trauen, ins Fliederlich zu kommen, weil sie erst aus ihrer Komfortzone rausmussten.

 

Welche Unterstützung gibt es von euch für Neue?

Für mich als eher extrovertierte Person war es einfacher herzukommen. Ich habe gedacht: Cool, da gibt es was, da geh ich hin. Für andere ist das schwieriger und mit Ängsten verbunden. Zum Beispiel: Was ist, wenn ich keinen Anschluss finde oder dass alle doof sind? Es gibt leider auch innerhalb der queeren Community Diskriminierungen. Wir achten darauf, dass bei der Jugendgruppe keine Diskriminierung stattfindet. Außerdem gibt es bei uns die Möglichkeit, sich vorher schon mal mit jemandem aus dem Team zu treffen. Dann hat man so eine Art Bezugsperson für den Treff. Beim Treff selbst kann man uns als Team auch jederzeit ansprechen.

 

Der Bayerische Jugendring hat gerade eine Studie gemacht. Bei „How are you“ wurden queere Jugendliche gefragt und ein Ergebnis war, dass fast 94 Prozent der queeren jungen Menschen in Bayern Diskriminierung erleben. Hast du selbst diskriminierende Erfahrungen gemacht?

Ich hatte lange das Glück, dass ich es nicht aktiv mitbekommen hab. Als ich mal eine Freundin hatte, hat sie mir dann gesagt, dass Leute uns manchmal schon komisch angucken. Und ich so: Hä, was? (lacht) Mir fällt sowas nicht auf. Aber einmal habe ich mich von einem Date verabschiedet und wir haben uns geküsst. Da wurden wir von einer Bettlerin angesprochen, die nach Kleingeld gefragt hat. Sie hatte gesehen, dass wir zwei Frauen sind und hat gemeint „Des geht nicht! Warum macht ihr sowas? Und vor meinem Kind?“ Und ich dachte: Ich wollte mich doch nur verabschieden. Aber es gibt natürlich viel schlimmere Erfahrungen und ich schätze mich sehr glücklich, dass ich es nicht in dem Ausmaß erleben musste.

 

Was würdest du dir von den Nürnberger:innen und von der Gesellschaft wünschen?

Vor allem Offenheit und Toleranz. Aber auch Unterstützung bei Projekten oder dass man sich für die Sichtbarkeit einsetzt. Man kann als Ally – so nennt man das – viel mithelfen. Zum Beispiel beim CSD von der Seite anfeuern oder Werbung machen für Events. Oder auch einfach kommen.

 

Gibt es noch etwas, das du unseren Leser:innen mitgeben möchtest?

Ja, vielleicht an die Jugendlichen: Habt keine Scheu, bei uns vorbeizukommen!

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Daniela Schremser, Dekanatsjugendreferentin der Evang. Jugend in Nürnberg.

Erstveröffentlichung in „antenne“ dem Magazin der Evangelischen Jugend Nürnberg, 1-2024. Diese Ausgabe steht unter dem Thema „KREUZ UND QUEER“ und enthält viele interessante und lesenswerte Beiträge zu queerer Jugendarbeit.

 

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Foto im Text: privat

 

Das Queere Zentrum Fliederlich e.V.

Noch immer treffen queere Menschen auf Unverständnis, Vorurteile und Ablehnung in der Familie, bei Freund:innen oder am Arbeitsplatz. Queere Menschen sind auch heute noch oft von Diskriminierung betroffen und queerfeindliche bzw. transfeindliche Gewalttaten steigen seit einigen Jahren wieder an. Es wird immer wieder behauptet, dass queer sein heutzutage kein Problem mehr sei, dennoch gibt es einen großen Bedarf bei Gruppen- und Beratungsangeboten. Fliederlich e.V. bietet diverse Beratungen, Informations- und Begegnungsmöglichkeiten für queere Menschen an. Zugleich ist Fliederlich Ansprechpartner für alle, die sich aus persönlichen oder beruflichen Gründen sachlich über LGBTIQ* Themen informieren wollen. Gerade für junge queere Menschen ist es wichtig, dass es Safe Spaces gibt, in denen sie sich mit Gleichgesinnten austauschen, Erfahrungen machen und sich mit ihrer Identität frei von Vorurteilen oder Diskriminierung auseinandersetzen können.

Die Jugendinitiative von Fliederlich e.V. (JI) ist ein offener Jugendtreff für queere Jugendliche zwischen 14 und 27 Jahren.

 

Die vom Bayerischen Jugendring kürzlich veröffentlichte Studie „How are you?“ über die Situation queerer Jugendlicher in Bayern bestätigt die Wichtigkeit von queerer Jugendarbeit.