Zeitenwende – nichts ist mehr, wie es war

Landesjugendpfarrer Tobias Fritsche denkt über die Zeitenwende nach und stellt fest: Die Zeit, in der wir leben, kann beängstigend sein – aber ich will der Angst nicht zu viel Raum geben. Frieden ist möglich.

Die Welt ist nicht mehr dieselbe, die sie war

Es ist noch kein Jahr her, am 27. Februar twitterte Bundeskanzler Olaf Scholz ein Wort,  das seitdem nicht nur in den Medien, sondern auch in alltäglichen Gesprächen und in den sozialen Netzwerken die Runde macht: Zeitenwende. „Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe, wie die Welt davor.“ So erklärte er selbst dieses Wort. Auslöser war der brachiale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, woraufhin Deutschland zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg umfassende Militärhilfe leistet und militärisch aufrüstet. Bundespräsident Steinmeier verwendete das Wort „Epochenbruch“, wollte aber noch mehr zum Ausdruck bringen: Nicht nur der Krieg, sondern auch die Energiekrise und vor allem auch der Klimawandel führen dazu, dass Deutschland nicht einfach seine Erfolgsgeschichte der letzten Jahrzehnte weiterführen kann. Worte wie „Verzicht“ und eine „neue Bescheidenheit“ gehen über seine Lippen.

Wir erleben aktuell eine Art Zäsur

Wir Menschen haben das Bedürfnis, Zeitläufe zu erfassen, wir wollen verstehen, in welcher Zeit wir leben. Dabei werden solche Einschätzungen immer kontrovers diskutiert. Aber immer mehr Menschen merken, dass an den Worten von Scholz und Steinmeier was dran ist. Gerade die junge Generation hat ein feines Gespür dafür, dass wir aktuell eine Art Zäsur erleben. Zäsur – das ist die Einteilung der Zeit in ein Davor und Danach. „Wenn wir jetzt nicht handeln, um z.B. das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, dann wird das Danach katastrophal sein.“  So formulie­ren nicht nur die Anhänger der gerade im Blickpunkt stehenden Aktivisten-Gruppe „Letzte Generation“ die aktuelle Zäsur in der Klimafrage.

Zeitenwende für Christinnen und Christen

Die Diskussion um die ökologische und politische Zeitenwende trifft nun auf die Weihnachtszeit. Für Christ:innen ist Weihnachten das Symbol für die Zeitenwende unseres Glaubens: Wir leben im Jahr 2022 ANNO DOMINI, also nach der Geburt Jesu Christi. Das bedeutet: Etwas ist mit der Geburt Jesu anders als davor. Die Botschaft der Engel lautet: Fürchtet euch nicht! Euch ist heute der Heiland geboren. Ehre sei Gott in der Höhe: Friede auf Erden.

Der Angst nicht zu viel Raum geben

Für mich heißt das: Die Zeit, in der wir leben, kann beängstigend sein – aber ich will der Angst nicht zu viel Raum geben. Frieden ist möglich.
Frieden mit meinen Mitmenschen – auch wenn wir noch so unterschiedlich sind. Frieden mit Gott, weil ich jeden Tag aus seiner Vergebung leben darf. Frieden mit mir selbst – weil ich in Gottes Augen wertgeschätzt bin, selbst wenn ich mich schwach fühle. Ja, ich glaube, Frieden für die Welt und den geschundenen Planeten ist möglich, wenn ich nicht nur mich und  meinen Lebensstil für wichtig halte. Wenn ich Gottes Geschenk – das Leben – achte, indem ich Rücksicht und manchmal auch Verzicht übe. Im Vertrauen auf Gott, dass ich trotzdem bekomme, was ich brauche.

Jetzt ist die Zeit!

Chronos – das ist die Zeit, die wir auf der Uhr ablesen können. Kairos hingegen, so wird die von Gott geschenkte Zeit genannt. „Die Zeit (kairos) ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ So heißt es gleich zu Be­ginn des Markusevangeliums. Das Kirchentagsmotto von 2023 nimmt das auf: JETZT ist die Zeit! Ich finde, das Motto passt hervorragend in unsere Welt, die sich definitiv in einer Zeitenwende befindet. Gott schenkt immer wieder diesen Kairos für ein neues Fragen und Handeln: Wie wollen wir gemeinsam leben, ohne dass es auf Kosten anderer geht? Das Evangelium stärkt uns dabei den Rücken, weil es die Sehnsucht und Verheißung nach Frieden vorwegnimmt. Das gibt mir eine Perspektive, wirklich etwas zu verändern: in meinem eigenen Leben, aber auch im Engagement für das Leben anderer Menschen.

Geschenkte Zeit

Wieder einmal nehme ich mir vor: Die Adventszeit will ich nutzen: Zeit für Gott, Zeit für mich und Zeit für die Menschen. Aber woher soll diese Zeit kommen? Vielleicht tatsächlich in dem ich bewusst auf anderes verzichte: Weniger einkaufen, Fußball-WM ignorieren, manche Arbeit einfach liegen lassen, gemeinsam an einem Heizkörper sitzen und die anderen zudrehen. Dann kommen wir uns selbst und anderen näher. Und das ist wichtig angesichts mancher „Zeitenwende“. So wie es Gott auch gemacht hat: Runter vom Himmelsthron, rein in die Krippe – um uns und unsere Zeit zu verändern.

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Tobias Fritsche

Landesjugendpfarrer

 

„Zeit“ ist das Thema der aktuellen zett-Ausgabe. Sie ist online verfügbar.

In dem Artikel „Zeitenwende – Nichts ist mehr, wie es war“ denkt Tobias Fritsche, Landesjugendpfarrer, über das Thema nach.

Katrin Vogelmann und Malte Scholz, die Vorsitzenden der EJB, weisen in unserem Interview darauf hin, dass die „Klimauhr tickt und tickt…“.

Ehrenamtliche haben uns geschrieben, wofür sie im Advent ihre Zeit nutzen. DANKE!

In der Evangelischen Jugend ist viel los: Kirchenkreiskonferenzen,
Fotowettbewerb, Kirchentag, Aktionen. Auch darüber berichtet diese zett.

Der beliebte zett-Kalender 2023 steht unter dem Motto „Klimagerecht leben“.

Katrin Vogelmann dankt allen, die mit viel Engagement und Herzblut die Evangelische Jugend zu dem machen, was ist ist: Heimat.


Foto oben: iStock-1307857121-imagedepotpro/Katja Pelzer


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