A Love-Shaped Life

Gedanken zur Jahreslosung 2024 von Landesjugendpfarrer Tobias Fritsche

 

„Ey Leude – entspannt euch mal ein bisschen! Let love be your pilot – make love not war!“ Wenn ich den Apostel Paulus nicht besser kennen würde, würde ich den Vers aus dem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth – die Jahreslosung 2024 – glatt für einen Hippie-Spruch halten. Natürlich klingt er in Wirklichkeit etwas seriöser: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ (1. Kor. 16,14). Auch wenn Paulus sicher kein Hippie war, klingen seine Worte doch ein bisschen dick aufgetragen. Alles soll in Liebe geschehen. Alles? Das kann doch nur verlangen, wer ein paar Joints zuviel geraucht hat, oder?

 

Während wir Deutschen nur ein Wort für sehr unterschiedliche Formen von Liebe haben, gab es im Griechischen zur Zeit des Paulus mehrere Wörter für Liebe.

 

Kleines Quiz gefällig? Welches Liebesgeständnis passt du welchem Wort?

 

Zur Auswahl stehen Eros, Philia, Storge und Agape:
a) Ich liebe dich, als ob du meine Schwester wärst.
b) Also ich stehe auf Männer.
c) Für meine Freunde würde ich alles tun.
d) Ich liebe dich – einfach so.

 

Und – alles richtig?
Storge (a) ist die Liebe, wie sie zwischen Familienmitgliedern oder vertrauten Menschen besteht.
Eros (b) ist die geschlechtliche und romantische Liebe.
Philia (c) ist die Liebe unter Freunden.
Agape (d) ist die bedingungslose Liebe, die unabhängig von äußeren Umständen besteht. Der Autor C.S. Lewis hat sie mal als „Geschenkliebe“ bezeichnet, weil man sie geschenkt bekommt. Einfach so.

 

Agape – Diese Liebe kommt zuerst von Gott

Paulus benutzt in seinem Aufruf das Wort Agape. Diese Liebe kommt zuerst von Gott. Wir können nichts dafür tun. Sie ist einfach da. Seit unserem ersten Atemzug ruht Gottes liebender Blick auf uns. Für Paulus ist das der „Sprit“ für die christliche Liebe. Sie ist keine Hippie-Liebe im Sinne von „Vertragt euch doch mal“. Sie setzt kein Bündnis voraus nach dem Motto: „Wir sind ein Clan!“ Und sie besagt auch nicht, dass ich alles und jeden toll und begehrenswert finden soll. Von dieser Liebe kann man eigentlich nur poetisch sprechen – so wie Paulus es selbst im berühmten „Hohelied der Liebe“ ein paar Kapitel vor der Bibelstelle der Jahreslosung tut. Aber ist diese Liebe dann überhaupt praxistauglich?

 

Agape-Talk statt Hate-Speech

Die Agape hat etwas, was unserer Gesellschaft scheinbar immer mehr abhanden kommt: Sie geht vom besten beim anderen aus. Sie geht im besten Sinne „fremd“ – weil sie auch den Fremden, Menschen mit fremder Hautfarbe, fremdem Lebensstil oder fremder Meinung lieben kann. Jesus nennt diese Liebe „Nächstenliebe“. Was wäre, wenn sich die Agape in Facebook-Chats und auf „X“ breit machen würde? Wenn auch kontroverse Diskussionen über Einwanderung oder Sozialleistungen im Agape-Style geführt würden? Nein, wir wären nicht alle einer Meinung. Wir würden auch nicht irgendwelche Hippie-Parolen ausgeben. Aber wir hätten einen gemeinsamen Kompass. Agape-Talk statt Hate-Speech.

 

Ohne die Entdeckung der Liebe Gottes geht es nicht

Doch ist das zu schaffen? Ich ahne, dass es ohne die Entdeckung der Liebe, die mir geschenkt ist, nicht geht. Liebe, die mir von Gott, der das Leben ist, jeden Tag neu – mit jedem Atemzug – tatsächlich „in allem, was ich bin“ entgegenkommt. Der Blick auf Jesus hilft mir dabei: Er lebte so intensiv wie keiner aus dieser Liebe zu Gott und war deshalb selbst „zum Platzen voll“ mit Agape. Und die platzte dann auch immer wieder aus ihm heraus – oft in völlig überraschender, liebevoller Zuwendung, manchmal aber auch in provokativen Worten und Aktionen. Und am Ende am Kreuz. Jesus lebte ein agape-förmiges Leben. A love-shaped life.

 

Nach dieser Liebe sehne ich mich. Ich will mitmachen, nicht mit Joint im Mund, sondern bei vollem Bewusstsein. Auch wenn ich dabei sicher immer wieder scheitern werde.
Danke für deine Erinnerung, Paulus!

Tobias Fritsche 
Landesjugendpfarrer

Bild oben: www.designerpfarrer.de
Bild unten: ejb/S. Johnke

 

Dieser Artikel ist auch in der Dezemberausgabe der zett, Zeitung für evangelische Jugendarbeit in Bayern erscheinen. zett_23-5.pdf (ejb.de)