Jetzt, ja jetzt starte ich …

Wie schön dich zu sehen!

Mit einem großen Grinsen kommt mir dieser Satz nun wieder häufiger über die Lippen. Die Freude darüber, Menschen wieder mit einer festen Umarmung begrüßen zu können – ganz ohne Maske – ist riesig.

 

Lasst uns loslegen!

Nach der freudigen Begrüßung macht sich dieses Gefühl in mir breit: Lasst uns loslegen! Getrieben von Aktionismus schreit es in mir danach, jetzt endlich wieder anzufangen. Jetzt, ja jetzt starte ich wieder. Es gibt so viel zu tun. Unsere Welt steht vor großen Herausforderungen: Der Krieg muss beendet, das Klima bewahrt, gegen Menschenfeindlichkeit in der Gesellschaft angegangen werden. Und auch unsere Kirche braucht dringend Veränderung. Jetzt, ja jetzt starte ich mit voller Energie in die Zukunft.

 

Ist meine jugendliche Energie verflogen?

Es ist mein Körper, der mir in all meinem Tatendrang einen Strich durch die Rechnung macht. Er ist müde und schnell erschöpft. Bin ich in den letzten zwei Jahren etwa so viel älter geworden? Nein! Ich kann und will nicht hinnehmen, dass meine jugendliche Energie schon verflogen sein soll. Ich bin nicht krank, spüre zum Glück keine Nachwirkungen meiner Corona-Infektion und denke, dass ich doch eigentlich nach zwei Jahren in Jogginghose entspannt und ausgeruht sein müsste. Woran liegt es also, dass ich bei meinem Neustart nicht vor Energie strotze?

 

Ein kurzer Blick zurück

Auch wenn alles in mir sich Richtung Zukunft sehnt und mein Herz im Rhythmus jetzt, ja jetzt geht es wieder los schlägt muss ich wohl noch einmal einen kurzen Blick zurück wagen. Vor meinem inneren Auge ziehen die Bilder der letzten zwei Jahre vorbei. Sie spielen überwiegend in meinem WG-Zimmer. Ich erinnere mich an Entschleunigung, ans Brotbacken und Stricken, daran, wie schön es sein kann, dem „Höher, Schneller, Weiter“ zu entkommen. Ich erinnere mich an Einsamkeit und an das quälende Gefühl der Ohnmacht und der Planungsunsicherheit. Ich erinnere mich an viele Stunden vor dem Bildschirm, an völlig neue Formate im digitalen Raum. Ich erinnere mich an die Sorge um all die jungen Menschen, die eigentlich „die Zeit ihres Lebens“ haben sollten.

 

Es war eine zweischneidige Zeit

Wenn ich so darüber nachdenke, war es eine zweischneidige Zeit. Es war bei weitem nicht alles schlecht. Für die Digitalisierung war es ein längst notwendiger Push und auch in Sachen „im Hier und Jetzt leben“ habe ich so einiges gelernt. Und doch erkenne ich, warum ich müde und geschafft aus dieser Zeit komme. Ein Blick in meinen Terminkalender macht es deutlich. Es war nicht weniger los. Ich habe nicht weniger gemacht, nicht weniger Zeit gearbeitet, nicht mehr Zeit für Entspannung gehabt. Wie also habe ich diese Durststrecke überwunden? Und wie schaffe ich es, die Müdigkeit und die Erschöpfung loszuwerden und mich endlich dem jetzt, ja jetzt geht es wieder los widmen zu können?

 

Es lohnt sich, immer wieder auch zurückzuschauen

Eine Erkenntnis macht sich in mir breit. Es sind die Umarmungen, das breite Lächeln zur Begrüßung, das mich anstrahlt. Es sind die Gespräche von Angesicht zu Angesicht, das Bier mit Freunden nach einem langen Tag. Es ist das schallende Lachen über die witzige Situation, die nur in der analogen Gemeinschaft entstehen kann. Es ist gemeinsames Singen verbunden mit dem Schmunzeln über die schiefen Töne. Es ist das Zusammensitzen am Lagerfeuer, das gemeinsame Spielen und das ausgiebige Tanzen. Und ich merke: Die Erinnerungen daran haben mich die vergangenen zwei Jahre über Wasser gehalten. Die Erinnerungen, wie es war, haben mir Hoffnung geschenkt. Der gelegentliche, vielleicht auch ein wenig nostalgische Blick zurück hat den Funken am Brennen gehalten, der mich mit den warmen, heilsamen Gefühlen der Gemeinschaft versorgt.

 

Kraft und Energie für die Zukunft

Es lohnt sich, immer wieder auch zurückzuschauen, an Erlebtes zu denken und sich an Erfolge zu erinnern. Da gibt es gerade auch in der EJB so viel.  Und wenn wir weiter zurück in die Vergangenheit blicken, sehen wir, was die Jugendarbeit so alles geleistet und erlebt hat. Der Blick zurück, was wir gemeinsam alles schon geschafft haben, gibt Kraft. Jetzt, ja jetzt kann ich mich der Zukunft widmen mit der Kraft, die sich nicht mehr nur aus Erinnerung speist, sondern endlich wieder aus gelebter Gemeinschaft im Hier und Jetzt.

 

 

Katrin Vogelmann
Vorsitzende der EJB

Katrin Vogelmann ist seit Oktober 2020 ehrenamtliche Vorsitzende der Landesjugendkammer. Sie kommt aus dem Dekanat Kempten und studiert Theologie in Leipzig.

 

 

Artikel aus zett 2-2022 Zeitung für evangelische Jugendarbei in Bayern

Bild oben: ejb/K. Pelzner; Foto unten: ejb/S. Johnke

 

Weitere Artikel aus zett 2-2022

Zurück in die Zukunft

 

70 Jahre LJKO

 

Wir berichten von Kirchenkreiskonferenzen, von Jubläen, wie Ehrenamtliche der EJB in die Zukunft schauen, von Friedensaktionen, Hoffnungsorten und vielem mehr. Alles nachzulesen in zett 2-2022